Die Welt befindet sich im Wandel. Das autoritäre China strebt im Rahmen ihrer „Major
Country Diplomacy“ offen die Führung einer neuen Weltordnung an und der Westen
scheint nicht in der Lage zu sein, dies aufzuhalten. Im Rahmen der sogenannten „Belt
and Road Initiative“ gewinnt die Volksrepublik weltweit an Einfluss, indem sie
Geldmittel für Infrastrukturprojekte wie Brücken, Häfen, Bahntrassen oder Staudämme
zur Verfügung stellt. Das Ziel der chinesischen Volksrepublik ist es, durch
vielfältige Verflechtungen eine politische Abhängigkeit zu schaffen. Der Belt and
Road Initiative sind weltweit circa 150 Länder beigetreten, darunter auch Österreich,
Italien, Portugal genau so wie alle Länder auf dem afrikanischen Kontinent.
Insbesondere die Rolle der Mittelmeer-Anrainerstaaten in dieser Frage hat für
Deutschland eine hervorgehobene Stellung, beispielsweise aufgrund der gemeinsamen
Mitgliedschaft in der Mittelmeer-Union oder aufgrund von Migrationsbewegungen.
Insbesondere die nordafrikanischen Länder sind von der Debt-Trap-Diplomacy des
Peking-Regimes betroffen: alle nordafrikanischen Länder sind Mitglied in der Asian
Infrastructure Investment Bank, im Gegensatz zu der Mehrheit der Länder auf dem
nordafrikanischen Kontinent.
Die westliche Entwicklungszusammenarbeit hat es im Gegensatz dazu in mehreren
Jahrzehnten nicht geschafft, auch nur eine annähernd ähnliche Wirkung zu erreichen.
Damit wurden unzählige Chancen vertan, mit Partnern (in Nordafrika) für mehr
Wohlstand in allen beteiligten Ländern zu arbeiten und demokratische Institutionen zu
stärken. Das wollen wir jetzt ändern! Wenn Entwicklungsprojekte von politischen oder
wirtschaftlichen Interessen geleitet ist, darf kein „Deckmantel der Humanität“
verwendet werden. Eigene Interessen und Ziele müssen ehrlich kommuniziert werden, um
eine aufrichtige Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu ermöglichen. Nachhaltige
Entwicklungszusamenarbein kann nur funktionieren, wenn der Erfolg nicht erzwungen
wird, sondern von der Bevölkerung des Partnerlandes selbst getragen werden wird. Auf
dieser Grundlage möchten wir ein Gegenmodell zum Neo-Imperialismus der sogenannten
Volksrepublik entwickeln: eine Entwicklungspolitik auf Augenhöhe.
Stabilisierung und Demokratieförderung
Von den fünf nordafrikanischen Staaten, Marokko, Algerien, Libyen, Tunesien und
Ägypten werden keine vom Fragile State Index alsannähernd stabil bewertet. Sollten
diese Staaten zusammenbrechen, bedeutet das großes Leid für die Menschen vor Ort,
Wohlstandsverlust, den Wegfall eines Handelspartners und Flüchtlingsströme Richtung
Europa. Das wichtigste Ziel derEntwicklungszusammenarbeit muss also die
Stabilisierung/ das Verhindern des Scheiterns eines Staates sein. Leistungen, die
überdie Stabilisierung hinausgehen, müssen der Förderung der Demokratie in den
Partnerstaaten
dienen. Tunesien ist die einzige Demokratie inNordafrika – so soll es nicht bleiben.
Für uns Junge Liberale ist klar, dass Demokratie nie durch Waffengewalt exportiert
werden kann,sondern von der Bevölkerung eines Staates selbst gewählt werden muss.
Sie
kann niemandem aufgezwungen werden. Aus diesemGrund wollen wir die Machthaber zu
Zugeständnissen bewegen und die demokratischen Kräfte der Bevölkerung stärken.
Besondersdort, wo demokratisches Gedankengut noch selten ist, müssen wir diese
Akteure stärken und unterstützen. Es braucht eineWiederbelebung des Prinzips „Wandel
durch Annäherung“.
Sollten Maßnahmen jedoch keines dieser beiden Ziele erfüllen, müssen diese beendet
werden. Vor diesem Hintergrund wollen wir besonders die Polizeiausbildungsmission in
Ägypten dieser Prüfung unterziehen.
Entwicklungszusammenarbeit europäisch denken
China gibt pro Jahr etwa anderthalb so viel Geld für Entwicklungszusammenarbeit in
Afrika aus, wie die EU für alle ihre Projekte. Gleichzeitig fließen chinesische
Gelder
vornehmlich in Infrastrukturprojekte, während wir oftmals Bildungsprogramme und
kleinereProjekte fördert, von denen Menschen mangels Arbeitsplätze vor Ort wenig
profitieren. Wir haben also zu wenig Geld und setzendiese auch nicht effizient ein.
Wir Jungen Liberalen fordern, die Entwicklungszusammenarbeit Europas auf der Ebene
der EU mit klaren Leitlinien und einer gemeinsamen Strategie zu koordinieren.
Nichtjeder Mitgliedsstaat muss in jedem Land kleine Projekte fördern. Wir begrüßen
deshalb Initiativen wie die EU-Initiative Global Gateway oder der von den USA
vorgeschlagenen B3W-Initiative der G7. Perspektivisch soll
diese Strategie auch vom Ausschuss für Entwicklungshilfe der OECD verfolgt werden,
damit mit den Geldern der restlichen Mitgliedsländer eine noch breitere und
effektivere Entwicklungspolitik gelingen kann.
Elementarer Bestandteil einer neu ausgerichteten Entwicklungszusammenarbeit mit
Afrika ist dabei eine ernsthafte europäische Konnektivitätsstrategie. Mit dem Global
Gateway wurde ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht. Neben dem Ausbau
von Infrastruktur und neuen Digital- und Klimaprojekten wollen wir insbesondere auch
den Fokus auf eine nachhaltige Schaffung von Arbeitsplätzen und dem Know-How-Transfer
für die afrikanische Bevölkerung legen.
Politik mit dem water jet statt der Gießkanne
Die europäischen Gelder werden vor Ort nicht effektiv eingesetzt. Viele versickern in
der lokalen Korruption und die, die tatsächlich beiden Menschen ankommen, haben
geringe Auswirkungen auf ihren Lebensstandard. Obwohl die chinesische Strategie die
Nehmerländer von der Volksrepublik abhängig macht, ist sie bei den Menschen vor
Ort beliebter als unsere, weil sie tatsächlich großeProjekte umsetzt.
Wir Jungen Liberalen wollen daher, dass wirtschaftlich gewidmete Entwicklungsgelder
primär für die Schaffung von Infrastruktur undArbeitsplätzen eingesetzt wird. Die
Jugendarbeitslosigkeit in den nordafrikanischen Staaten ist generell hoch und durch
die Coroanpandemie noch stärker gestiegen. Das schadet dem wirtschaftlichen
Fortschritt vor Ort, der Stabilität der Länder und kann dieWirtschaftsflucht nach
Europa auslösen. Daher müssen dringend Arbeitsplätze geschaffen werden, um dieses
Problem aufzufangen.
Das regelt auch der Markt
Nur wenn wir die Kraft der Marktwirtschaft entfesseln, können wir der
staatskapitalistischen Entwicklungspolitik des Peking Regimes die Stirn bieten.
Westliche und afrikanische Länder sollten zusammen daran arbeiten,
Markteintrittsbarrieren abzubauen um private Investitionen in afrikanische Länder zu
erleichtern. Dafür wollen wir bestehende Freihandelsabkommen ausbauen und ergänzen;
das Ziel hierbei sind multilaterale Freihandelsabkommen, die den freien Verkehr von
Waren und Arbeit ermöglichen. Gleichzeitig tragen Freihandelsabkommen auch zur
Verbreitung von Menschenrechtsstandards bei, die genau so wie rechtsstaatliche
Prinzipien und der damit verbundenen Planungssicherheit für Unternehmungen
Grundvoraussetzung für erfolgreiche Investitionen in Afrika sind. Vertragsmodalitäten
wie die Menschenrechtsklausel in Freihandelsabkommen der EU begrüßen wir deshalb.
Daneben müssen westliche Staaten gemeinsam mit den afrikanischen Partnern daran
arbeiten Bürokratie abzubauen, Visaerteilungen zu vereinfachen, Kapital einfacher
bereitzustellen, und gezielte Förder- und Beratungsprogramme für Unternehmen
aufzusetzen, die in Nordafrika investieren wollen.
Nachhaltigkeit und Klimaschutz weltweit
Die Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands muss sich an den Sustainable Development
Goals (SDGs) der Vereinten Nationen ausrichten. Dabei ist es aber von entscheidender
Bedeutung, dass die Umsetzbarkeit dieser Ziele für Entwicklungsländer auf
multilateraler Ebene sorgfältig überprüft wird. Neben der Beachtung von
Umweltaspekten müssen auch soziale und wirtschaftliche Aspekte angemessen
berücksichtigt und sorgfältig abgewogen werden. Unser Hauptanliegen sollte jedoch
darin bestehen, von Anfang an eine möglichst nachhaltige Entwicklung zu
gewährleisten. Dazu ist es wichtig, projektbezogene finanzielle Unterstützung zu
gewähren.
Die Industrieländer tragen eine maßgebliche Mitverantwortung für die spürbaren
Auswirkungen des Klimawandels in Afrika. Da die Möglichkeiten einzelner Akteure,
hinreichende umwelt- und klimapolitische Maßnahmen zu ergreifen, begrenzt sind,
sollten wir unsere Beziehungen und Ressourcen nutzen, um effektive lokale Lösungen zu
fördern. Wo vor Ort das notwendige technologische oder organisatorische Wissen fehlt,
können wir unterstützend eingreifen, indem wir Wissenstransfer ermöglichen. Des
Weiteren sollten wir afrikanische Delegationen bei Klimaverhandlungen
partnerschaftlich unterstützen, sofern sie es wünschen. Ziel ist es, ihnen die
erforderlichen Ressourcen und das Know-How zu vermitteln, damit sie die Interessen
Afrikas erfolgreich vertreten können.
Im Übrigen wollen wir Desertecwiederbeleben. Mit gezielten Fördermaßnahmen wollen wir
den schnellen Ausbau von Solarkraftanlagen in der Sahara in allen Nordafrikanischen
Ländern fördern und die bereits bestehenden Projekte schneller zum Abschluss bringen.
Das Ziel muss sein, vor Ortklimaneutralen Wasserstoff zu produzieren, mit dem auch
die europäische Industrie betrieben werden kann. Die wasserstoffproduzierende
Industrie wollen wir daher ebenfalls unterstützen.
Flüchtlingspolitik vor Ort
Wir wollen dafür sorgen, dass Fluchtursachen gar nicht erst entstehen.
Wirtschaftsflucht verhindern wir durch gute wirtschaftlicheVerhältnisse vor Ort, die
Verhinderung von persönlicher Verfolgung können wir jedoch nur begrenzt durch den
Demokratisierungsprozess und die Förderung von Menschenrechten in den Partnerländern
unterbinden. Die nordafrikanischen Länder sind in erster LinieTransitländer für
Flüchtlinge aus Sub-Sahara-Afrika. Wir müssen unsere Partner bei der Versorgung ihrer
Flüchtlinge unterstützen. DieAufrechterhaltung von menschenunwürdigen
Internierungscamps, mit denen die EU ihre Verantwortung auf Gebiete abwälzt, die
nicht ihrer Menschenrechtskonvention unterliegen müssen beendet werden. Stattdessen
müssen wir unsere Partner bei der Schaffung von menschenwürdigen
Flüchtlingsunterkünften unterstützen, in denen auch direkt Asylanträge nach Europa
gestellt werden können. Um das Sterben im Mittelmeer zu beenden, wollen wir das
Schleppertum und die illegale Migration direkt an den Küsten Afrikas unterbinden und
die Anliegerstaaten bei dieser Aufgabe unterstützen. In diesem Zusammenhang begrüßen
wir Migrationsabkommen zwischen der Europäischen Union und nordafrikanischen Staaten
(wie bspw. jüngst mit Tunesien). Ausbildungsprogramme, wie das für die libysche
Küstenwache müssen jedoch den Menschenrechten entsprechen, ansonsten dürfen wir sie
nicht weiter fortsetzen. Um besonders Libyen als besonders exponiertesTransitland zu
unterstützen, müssen wir den Friedensprozess im Land beobachten und gegebenenfalls
beratend tätig werden, um Frieden, Freiheit und Stabilität vor Ort zu gewährleisten.