24.07.2023

Chancenkontinent – Eine liberale Strategie für Nordafrika

Die Welt befindet sich im Wandel. Das autoritäre China strebt im Rahmen ihrer „Major
 Country Diplomacy“ offen die Führung einer neuen Weltordnung an und der Westen
 scheint nicht in der Lage zu sein, dies aufzuhalten. Im Rahmen der sogenannten „Belt
 and Road Initiative“ gewinnt die Volksrepublik weltweit an Einfluss, indem sie
 Geldmittel für Infrastrukturprojekte wie Brücken, Häfen, Bahntrassen oder Staudämme
 zur Verfügung stellt. Das Ziel der chinesischen Volksrepublik ist es, durch
 vielfältige Verflechtungen eine politische Abhängigkeit zu schaffen. Der Belt and
 Road Initiative sind weltweit circa 150 Länder beigetreten, darunter auch Österreich,
 Italien, Portugal genau so wie alle Länder auf dem afrikanischen Kontinent.

 Insbesondere die Rolle der Mittelmeer-Anrainerstaaten in dieser Frage hat für
 Deutschland eine hervorgehobene Stellung, beispielsweise aufgrund der gemeinsamen
 Mitgliedschaft in der Mittelmeer-Union oder aufgrund von Migrationsbewegungen.
 Insbesondere die nordafrikanischen Länder sind von der Debt-Trap-Diplomacy des
 Peking-Regimes betroffen: alle nordafrikanischen Länder sind Mitglied in der Asian
 Infrastructure Investment Bank
, im Gegensatz zu der Mehrheit der Länder auf dem
 nordafrikanischen Kontinent.

 Die westliche Entwicklungszusammenarbeit hat es im Gegensatz dazu in mehreren
 Jahrzehnten nicht geschafft, auch nur eine annähernd ähnliche Wirkung zu erreichen.
 Damit wurden unzählige Chancen vertan, mit Partnern (in Nordafrika) für mehr
 Wohlstand in allen beteiligten Ländern zu arbeiten und demokratische Institutionen zu
 stärken. Das wollen wir jetzt ändern! Wenn Entwicklungsprojekte von politischen oder
 wirtschaftlichen Interessen geleitet ist, darf kein „Deckmantel der Humanität“
 verwendet werden. Eigene Interessen und Ziele müssen ehrlich kommuniziert werden, um
 eine aufrichtige Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu ermöglichen. Nachhaltige
 Entwicklungszusamenarbein kann nur funktionieren, wenn der Erfolg nicht erzwungen
 wird, sondern von der Bevölkerung des Partnerlandes selbst getragen werden wird. Auf
 dieser Grundlage möchten wir ein Gegenmodell zum Neo-Imperialismus der sogenannten
 Volksrepublik entwickeln: eine Entwicklungspolitik auf Augenhöhe.

 Stabilisierung und Demokratieförderung

 Von den fünf nordafrikanischen Staaten, Marokko, Algerien, Libyen, Tunesien und
 Ägypten werden keine vom Fragile State Index alsannähernd stabil bewertet. Sollten
 diese Staaten zusammenbrechen, bedeutet das großes Leid für die Menschen vor Ort,
 Wohlstandsverlust, den Wegfall eines Handelspartners und Flüchtlingsströme Richtung
 Europa. Das wichtigste Ziel derEntwicklungszusammenarbeit muss also die
 Stabilisierung/ das Verhindern des Scheiterns eines Staates sein. Leistungen, die
 überdie Stabilisierung hinausgehen, müssen der Förderung der Demokratie in den
 Partnerstaaten
 dienen. Tunesien ist die einzige Demokratie inNordafrika – so soll es nicht bleiben.
 Für uns Junge Liberale ist klar, dass Demokratie nie durch Waffengewalt exportiert
 werden kann,sondern von der Bevölkerung eines Staates selbst gewählt werden muss.
 Sie
 kann niemandem aufgezwungen werden. Aus diesemGrund wollen wir die Machthaber zu
 Zugeständnissen bewegen und die demokratischen Kräfte der Bevölkerung stärken.
 Besondersdort, wo demokratisches Gedankengut noch selten ist, müssen wir diese
 Akteure stärken und unterstützen. Es braucht eineWiederbelebung des Prinzips „Wandel
 durch Annäherung“.

 Sollten Maßnahmen jedoch keines dieser beiden Ziele erfüllen, müssen diese beendet
 werden. Vor diesem Hintergrund wollen wir besonders die Polizeiausbildungsmission in
 Ägypten dieser Prüfung unterziehen.

 Entwicklungszusammenarbeit europäisch denken

 China gibt pro Jahr etwa anderthalb so viel Geld für Entwicklungszusammenarbeit in
 Afrika aus, wie die EU für alle ihre Projekte. Gleichzeitig fließen chinesische
 Gelder
 vornehmlich in Infrastrukturprojekte, während wir oftmals Bildungsprogramme und
 kleinereProjekte fördert, von denen Menschen mangels Arbeitsplätze vor Ort wenig
 profitieren. Wir haben also zu wenig Geld und setzendiese auch nicht effizient ein.
 Wir Jungen Liberalen fordern, die Entwicklungszusammenarbeit Europas auf der Ebene
 der EU mit klaren Leitlinien und einer gemeinsamen Strategie zu koordinieren.
 Nichtjeder Mitgliedsstaat muss in jedem Land kleine Projekte fördern. Wir begrüßen
 deshalb Initiativen wie die EU-Initiative Global Gateway oder der von den USA
 vorgeschlagenen B3W-Initiative der G7. Perspektivisch soll
 diese Strategie auch vom Ausschuss für Entwicklungshilfe der OECD verfolgt werden,
 damit mit den Geldern der restlichen Mitgliedsländer eine noch breitere und
 effektivere Entwicklungspolitik gelingen kann.

 Elementarer Bestandteil einer neu ausgerichteten Entwicklungszusammenarbeit mit
 Afrika ist dabei eine ernsthafte europäische Konnektivitätsstrategie. Mit dem Global
 Gateway wurde ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht. Neben dem Ausbau
 von Infrastruktur und neuen Digital- und Klimaprojekten wollen wir insbesondere auch
 den Fokus auf eine nachhaltige Schaffung von Arbeitsplätzen und dem Know-How-Transfer
 für die afrikanische Bevölkerung legen.

 Politik mit dem water jet statt der Gießkanne

 Die europäischen Gelder werden vor Ort nicht effektiv eingesetzt. Viele versickern in
 der lokalen Korruption und die, die tatsächlich beiden Menschen ankommen, haben
 geringe Auswirkungen auf ihren Lebensstandard. Obwohl die chinesische Strategie die
 Nehmerländer von der Volksrepublik abhängig macht, ist sie bei den Menschen vor
 Ort beliebter als unsere, weil sie tatsächlich großeProjekte umsetzt.

 Wir Jungen Liberalen wollen daher, dass wirtschaftlich gewidmete Entwicklungsgelder
 primär für die Schaffung von Infrastruktur undArbeitsplätzen eingesetzt wird. Die
 Jugendarbeitslosigkeit in den nordafrikanischen Staaten ist generell hoch und durch
 die Coroanpandemie noch stärker gestiegen. Das schadet dem wirtschaftlichen
 Fortschritt vor Ort, der Stabilität der Länder und kann dieWirtschaftsflucht nach
 Europa auslösen. Daher müssen dringend Arbeitsplätze geschaffen werden, um dieses
 Problem aufzufangen.

 Das regelt auch der Markt

 Nur wenn wir die Kraft der Marktwirtschaft entfesseln, können wir der
 staatskapitalistischen Entwicklungspolitik des Peking Regimes die Stirn bieten.
 Westliche und afrikanische Länder sollten zusammen daran arbeiten,
 Markteintrittsbarrieren abzubauen um private Investitionen in afrikanische Länder zu
 erleichtern. Dafür wollen wir bestehende Freihandelsabkommen ausbauen und ergänzen;
 das Ziel hierbei sind multilaterale Freihandelsabkommen, die den freien Verkehr von
 Waren und Arbeit ermöglichen. Gleichzeitig tragen Freihandelsabkommen auch zur
 Verbreitung von Menschenrechtsstandards bei, die genau so wie rechtsstaatliche
 Prinzipien und der damit verbundenen Planungssicherheit für Unternehmungen
 Grundvoraussetzung für erfolgreiche Investitionen in Afrika sind. Vertragsmodalitäten
 wie die Menschenrechtsklausel in Freihandelsabkommen der EU begrüßen wir deshalb.
 Daneben müssen westliche Staaten gemeinsam mit den afrikanischen Partnern daran
 arbeiten Bürokratie abzubauen, Visaerteilungen zu vereinfachen, Kapital einfacher
 bereitzustellen, und gezielte Förder- und Beratungsprogramme für Unternehmen
 aufzusetzen, die in Nordafrika investieren wollen.

 Nachhaltigkeit und Klimaschutz weltweit

 Die Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands muss sich an den Sustainable Development
 Goals (SDGs) der Vereinten Nationen ausrichten. Dabei ist es aber von entscheidender
 Bedeutung, dass die Umsetzbarkeit dieser Ziele für Entwicklungsländer auf
 multilateraler Ebene sorgfältig überprüft wird. Neben der Beachtung von
 Umweltaspekten müssen auch soziale und wirtschaftliche Aspekte angemessen
 berücksichtigt und sorgfältig abgewogen werden. Unser Hauptanliegen sollte jedoch
 darin bestehen, von Anfang an eine möglichst nachhaltige Entwicklung zu
 gewährleisten. Dazu ist es wichtig, projektbezogene finanzielle Unterstützung zu
 gewähren.

 Die Industrieländer tragen eine maßgebliche Mitverantwortung für die spürbaren
 Auswirkungen des Klimawandels in Afrika. Da die Möglichkeiten einzelner Akteure,
 hinreichende umwelt- und klimapolitische Maßnahmen zu ergreifen, begrenzt sind,
 sollten wir unsere Beziehungen und Ressourcen nutzen, um effektive lokale Lösungen zu
 fördern. Wo vor Ort das notwendige technologische oder organisatorische Wissen fehlt,
 können wir unterstützend eingreifen, indem wir Wissenstransfer ermöglichen. Des
 Weiteren sollten wir afrikanische Delegationen bei Klimaverhandlungen
 partnerschaftlich unterstützen, sofern sie es wünschen. Ziel ist es, ihnen die
 erforderlichen Ressourcen und das Know-How zu vermitteln, damit sie die Interessen
 Afrikas erfolgreich vertreten können.

 Im Übrigen wollen wir Desertecwiederbeleben. Mit gezielten Fördermaßnahmen wollen wir
 den schnellen Ausbau von Solarkraftanlagen in der Sahara in allen Nordafrikanischen
 Ländern fördern und die bereits bestehenden Projekte schneller zum Abschluss bringen.
 Das Ziel muss sein, vor Ortklimaneutralen Wasserstoff zu produzieren, mit dem auch
 die europäische Industrie betrieben werden kann. Die wasserstoffproduzierende
 Industrie wollen wir daher ebenfalls unterstützen.

 Flüchtlingspolitik vor Ort

 Wir wollen dafür sorgen, dass Fluchtursachen gar nicht erst entstehen.
 Wirtschaftsflucht verhindern wir durch gute wirtschaftlicheVerhältnisse vor Ort, die
 Verhinderung von persönlicher Verfolgung können wir jedoch nur begrenzt durch den
 Demokratisierungsprozess und die Förderung von Menschenrechten in den Partnerländern
 unterbinden. Die nordafrikanischen Länder sind in erster LinieTransitländer für
 Flüchtlinge aus Sub-Sahara-Afrika. Wir müssen unsere Partner bei der Versorgung ihrer
 Flüchtlinge unterstützen. DieAufrechterhaltung von menschenunwürdigen
 Internierungscamps, mit denen die EU ihre Verantwortung auf Gebiete abwälzt, die
 nicht ihrer Menschenrechtskonvention unterliegen müssen beendet werden. Stattdessen
 müssen wir unsere Partner bei der Schaffung von menschenwürdigen
 Flüchtlingsunterkünften unterstützen, in denen auch direkt Asylanträge nach Europa
 gestellt werden können. Um das Sterben im Mittelmeer zu beenden, wollen wir das
 Schleppertum und die illegale Migration direkt an den Küsten Afrikas unterbinden und
 die Anliegerstaaten bei dieser Aufgabe unterstützen. In diesem Zusammenhang begrüßen
 wir Migrationsabkommen zwischen der Europäischen Union und nordafrikanischen Staaten
 (wie bspw. jüngst mit Tunesien). Ausbildungsprogramme, wie das für die libysche
 Küstenwache müssen jedoch den Menschenrechten entsprechen, ansonsten dürfen wir sie
 nicht weiter fortsetzen. Um besonders Libyen als besonders exponiertesTransitland zu
 unterstützen, müssen wir den Friedensprozess im Land beobachten und gegebenenfalls
 beratend tätig werden, um Frieden, Freiheit und Stabilität vor Ort zu gewährleisten.

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