Ein Kölner ist 1,51-mal mehr wert als ein Bürger in Xanten. Was nach
karnevalistischem Stolz klingt, ist Realität im Gemeindefinanzierungsgesetz.
Hintergrund: Die Kommunen finanzieren sich durch eigene Steuereinnahmen und vor allem
durch Schlüsselzuweisungen des Landes. Jede Gemeinde in Nordrhein-Westfalen erhält
als Schlüsselzuweisung 90 % des Unterschiedsbetrages zwischen der maßgeblichen
Steuerkraft und einem berechneten fiktiven Bedarf. In die Berechnung des fiktiven
Bedarfs einer Kommune fließen verschiedene Faktoren mit ein: Schülerzahlen, Anzahl an
Bedarfsgemeinschaften, Zentralitätsansatz, sowie die Einwohnerzahl. Je mehr Einwohner
eine Gemeinde hat, desto höher ist der fiktive Bedarf. Soweit alles gerecht.
Jedoch werden in dieser Berechnung Einwohner in größeren Gemeinden stärker gewichtet.
Das führt dazu, dass der fiktive Bedarf großer Gemeinden künstlich erhöht wird und
sie somit höhere Schlüsselzuweisungen durch das Land bekommen. Es findet also
systembedingt eine Umverteilung vom ländlichen in den städtischen Raum statt. Die
zugrunde liegende These lässt sich kurz zusammenfassen mit: „Je höher die
Einwohnerzahl einer Kommune, desto höher die notwendigen Pro-Kopf-Ausgaben.“ Wie
veraltet und überholt diese These ist, zeigt ein Blick in ihre Entstehung.
Sie stammt noch aus den 30er Jahren des vorherigen Jahrhunderts und bedient sich
antiquarischen Argumenten. Der Unterschiedliche Pro-Kopf Betrag zwischen Menschen aus
der Stadt und aus dem ländliche Raum wird unter anderem damit begründet, dass im
ländlichen Siedlungsraum kein Bedarf an gepflegten Wegen bestünde. Die ländliche
Einwohnerschaft sei es gewohnt keine Anforderungen vor Schutz gegen Witterung zu
stellen. Für den ländlichen Raum wurde damals auch nicht der Bedarf gesehen, dass
Straßen beleuchtet werden oder befestigt werden müssen. Schulen und Rathäuser müssten
laut der Argumentation aus den 1930ern im ländlichen Raum nicht so groß sein wie in
der Stadt, da die ländliche Bevölkerung ohnehin viel Zeit an der Luft und dem
Tageslicht verbringe. In der Stadt seien hingegen räumlich großzügig ausgestattete
Schulräume und Rathäuser angebracht. Die „Landgemeinde“ würde sich laut der
historischen Argumentation „ohne Weiteres mit engen Räumen zufrieden“ geben. Was
damals vielleicht noch seine Richtigkeit hatte, lässt sich auf die Situation im
heutigen Jahrhundert nicht mehr übertragen.
Doch nicht nur die antiquarischen Annahmen dieser ungleichen Behandlungen von
städtischen und ländlichen Kommunen in der Kommunalfinanzierung sind überholt.
Inzwischen hat auch das Bundesverfassungsgericht bedenken zu dieser These
festgestellt, da allein aus einem überproportionalen Anstieg der Ausgaben noch nicht
auf einen überproportional ansteigenden Finanzbedarf geschlossen werden kann, weil
höhere Ausgaben gerade das Ergebnis einer besseren Finanzausstattung sein können
(vgl. BVerfG, Urt. V. 27.05.1992 – 2 BvF 1,2/88, u. a. -, BVerfGE 86, 148 <235>).
Die Jungen Liberalen Nordrhein-Westfalen fordern daher, die Hauptansatzstaffeln zu
vereinheitlichen und somit den Hauptsatz für die Ermittlung der Ausgangsmesszahl für
die Schlüsselzuweisungen proportional der Einwohneranzahl entsprechend anzuwenden.
Die Ungleichbehandlung vom ländlichen und städtischen Raum in der
Kommunalfinanzierung wird somit nach fast 100 Jahren beendet.