40 weitere Jahre Junge Liberale – Perspektiven nach dem „Ende der Geschichte“

November 1980 – der erste Bundeskongress der Jungen Liberalen findet in Bonn statt. Nachdem sich die vormalige Jugendorganisation der FDP, die „Jungdemokraten“, zunehmend der politischen Linken zuwendete, brauchte es in der Bundesrepublik eine neue liberale Jugendorganisation, die einen konsequenten Liberalismus vertrat. Wie notwendig dies war, zeigt sich am Geiste der Zeit der Gründung. Eine Zeit der Ungewissheit, der deutschen Spaltung und eine Zeit des großen ideologischen Kampfes des 20. Jahrhunderts. Seither hat sich viel getan. Deutschland ist mittlerweile wiedervereinigt und ein anderes Land als noch vor 40 Jahren. Schauen wir uns einmal die Geschichte des Liberalismus seit der Gründung der Julis and und wagen einen Ausblick auf die nächsten 40 Jahre.

Der Sieg des Liberalismus und das Ende der Geschichte

Der Kalte Krieg kocht zu Beginn der 1980er wieder hoch. Die Zuspitzung des Kampfes zwischen dem sozialistischen und totalitären Ostblock und dem demokratischen und freiheitlichen Westen keimt ein letztes Mal auf. Doch es kam nicht zum Krieg. Das System des real existierenden Sozialismus und Kommunismus war erschöpft. Während der große US-Präsident und Freiheitskämpfer Ronald Reagan in Berlin den Abriss der Mauer vom Generalsekretär der KPdSU forderte, glühten die Leitungen im Moskauer Büro Michail Gorbatschow. Es ist vorbei und noch zum Ende der Dekade brechen die ersten Ziegel der Berliner Mauer an diesem schicksalshaften Donnerstagabend am 9. November 1989 als Günther Schabowski versehentlich das Grüne Licht für die Öffnung der Grenze gibt. Es brechen an diesem Abend auch die metaphorischen Mauern zwischen dem Osten und dem Westen. Die UdSSR kollabiert nur zwei Jahre später.

Ein ungeheurer Triumph für den Liberalismus. Auch wenn allerspätestens seit der Veröffentlichung von Alexander Solschenizyns Werk „Der Archipel Gulag“ auf der ganzen Welt die Verbrechen des Kommunismus offenkundig geworden waren, beharrten unbelehrbare so genannte Intellektuelle im Westen immer noch auf ihrer Position und hielten den Sozialismus für die unvermeidliche Lösung der Probleme des Kapitalismus. Und solange das System der Sowjetrepubliken irgendwie Bestand hatte, so konnte sich die postmoderne, neomarxistische Linke immer noch an die Tatsache klammern, dass man schließlich nicht alles über das System im Ostblock wisse und es ja scheinbar noch funktionierte. Doch nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Sowjetunion und der fortschreitenden Demokratisierung der ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts, war das was unausweichlich geworden war, schließlich Realität. Der Liberalismus, die offene Gesellschaft, die Marktwirtschaft und der freie Welthandel hatten gesiegt. Einst verfeindete Nationen näherten sich an, sodass der Präsident der transformierten Russischen Föderation Boris Jelzin sich freundschaftlich scherzend (und wie immer vollkommen betrunken) mit dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton zeigte. Diese Entwicklung betitelte der amerikanische Politikwissenschaftlicher Francis Fukuyama mit dem „Ende der Geschichte“.

Ende gut, alles gut?

So kam es, dass die Jahrtausendwende tatsächlich ein wenig, wie der Abschluss einer Zeit der Kriege und ideologischen Konflikte wirkte. Auch wenn durch die Demokratisierung des Ostens und die deutsche Wiedervereinigung, sowie die Integration in die Europäische Union immer wieder kleinere politische Konflikte auftraten, so war man sich sicher, dass die Zukunft besser werden würde. Aber Fukuyama beging den gleichen Fehler, den Hegels Dialektik in sich trug. Die Geschichte lässt sich eben nicht unter einfachen zyklischen Gesetzmäßigkeiten zusammenfassen und ein deterministisches Ende der Geschichte zu erfinden, ist meist das Resultat einer ideologischen Brille.

Also war die Geschichte doch nicht zu Ende und der Beginn einer neuen Zeit wurde insbesondere durch ein Ereignis markiert: 9/11. Ein Datum, dass sich in das kollektive Gedächtnis einer Generation gebrannt hat. Das Symbol des neoliberalen Siegeszugs von Freiheit, Marktwirtschaft und Freihandel war von einem Akt des Terrorismus zerstört worden. Das Leuchtfeuer der Freiheit, dass die USA stets repräsentiert darstellen, wurde zunehmend hinterfragt. Als dann im Jahre 2008 die Finanzkrise das Vertrauen in die Marktwirtschaft als System erschütterte, war der uneingeschränkte Siegeszug des Liberalismus beendet. Die vergangene Dekade stand für den Beginn einer neuen Zeit, die im Nachklang dieser beiden Schockerlebnisse der 2000er zustande kam. Die selbstverständliche Wahrheit und das Versprechen vom Wohlstand für alle durch Marktwirtschaft und der Freiheit des Individuums rückte in den Hintergrund. Die Corona-Pandemie stellt im Jahre 2020 ein weiteres historisches Ereignis dar und durch ihre Bewältigung, sowie den nachfolgenden Wiederaufbau werden die weichen für die nächsten Jahrzehnte gestellt. Die Frage lautet nun, wo findet sich der Liberalismus in dieser neuen Zeit?

Perspektiven für die nächsten 40 Jahre

Terrorismus, Überwachung, Totalitarismus international, Erosion der geopolitischen Struktur nach dem Kalten Krieg, kultureller Wandel, Migration, Klimawandel – die Menschheit steht in diesem Jahrhundert, wie in jedem anderen zuvor, vor großen Herausforderungen. Die ideologischen Konfliktlinien in unserer Gesellschaft und auf globaler Ebene verhärten sich zunehmend. Werden die USA weiterhin der Verteidiger von Freiheit und Marktwirtschaft sein oder ziehen sie sich zurück? Wie ist mit dem immer stärker werdenden Reich der Mitte unter der Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas umzugehen? Wird die kulturelle und politische Spaltung die Europäische Union zerreißen oder wird die EU ein wichtiger Pol in dieser neuen Welt?

Zwischen den kollektivistischen Kräften der politischen Linken und Rechten, scheint der Liberalismus in Deutschland und auf der Welt gerade etwas kleinlaut. Zögerlich und unsicher finden sich zwar inhaltliche Antworten auf die Fragen unserer Zeit, aber kein Weg sie überzeugend zu bewerben. Aber der Liberalismus hat keinen Grund sich zu verstecken. So blicken wir nicht nur auf 40 Jahre Geschichte der Julis, sondern auch auf hunderte von Jahren an Tradition des politischen Liberalismus zurück. Der Liberalismus hat alles gewonnen, was es zu gewinnen gab, aber er darf jetzt nicht aufhören. Die politischen Fragen der kommenden Jahre brauchen liberale Antworten. Solange die Freiheit verteidigt werden muss, haben wir eine Aufgabe. Daher freue ich mich auf 40 weitere Jahre Junge Liberale.

Über den Autor:

Alexander Kobuss (22) studiert Lehramt für Gymnasien mit den Fächern Geschichte sowie Sozialwissenschaften im Master. Er ist Landesvorsitzender der Liberalen Hochschulgruppen NRW. Außerdem ist er stellvertretender Bezirksvorsitzender für Programmatik in Köln/Bonn und leitet den Bundesarbeitskreis Wirtschaft/Energie/Finanzen. Ihr erreicht ihn unter