Vertrauen ist die Grundlage von Unternehmen. Das mag zunächst etwas seltsam klingen, da Unternehmen oft als abstrakte Gebilde wahrgenommen und z.B. juristisch oder politisch auch so behandelt werden. Immer mehr Aufgaben werden von zunehmend intelligenten Maschinen übernommen, Abläufe sind vorstrukturiert, Leistungen und Ergebnisse vom Controlling überprüft – wie wichtig soll da noch Vertrauen sein? Bei allem Respekt vor Hochtechnologie und künstlicher Intelligenz: Irgendwo sitzt immer noch ein Mensch, der Entscheidungen trifft, und bei Innovation und Fortschritt kommen die entscheidenden Impulse aus der menschlichen Kreativität. Vertrauen ist quasi das Schmiermittel der Maschine „Unternehmen“.
Vertrauen als Grundlage der Zusammenarbeit
Es beginnt schon bei der Personalauswahl, der Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Grundsätzlich gilt zwar durchaus „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Aber natürlich ist es unmöglich, immer sämtliche Angaben nachzuprüfen. Es wird vielleicht in einzelnen Punkten oder stichprobenartig gemacht. Dank Google und Social Media kann sich heutzutage auch jeder niedrigschwellig einen schnellen Eindruck von einer anderen Person verschaffen. Im Prinzip verlässt man sich aber darauf, dass Angaben stimmen. Im Bewerbungsgespräch vertraut man seinem eigenen Bauchgefühl, ob ein authentischer Mensch vor einem sitzt. In der Regel war es das. Im Arbeitsalltag zeigt sich dann in der Regel recht schnell, ob Fachkompetenz und Persönlichkeit zum Unternehmen passen. Und von gefälschten Doktortiteln stirbt in der Regel niemand – wenn eine solche Lüge herauskommt, ist aber auch die Vertrauensgrundlage zerstört, egal, wie gut die Leistung und die Zusammenarbeit waren. Bei gefälschten medizinischen Approbationen kann das zwar schon anders aussehen, und hier mag über stärkere Fälschungssicherheit nachgedacht werden. Eine grundsätzliche Ausweitung von Kontrolle und Durchleuchtung durch Personalabteilungen kann ich als Liberale dennoch nur ablehnen. Es liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen, wie stark er oder sie den eigenen Lebenslauf schönt. Mit den Konsequenzen muss man dann aber auch leben. Vertrauen ist ein Grundzug des unternehmerischen Personalwesens.
Prinzipien der Führungskultur
Vertrauen und der Umgang mit Vertrauen setzen sich fort im Arbeitsalltag, so auch in der Führungskultur eines Unternehmens. Es gibt Unternehmen, die werden nach dem Prinzip der Angst geführt; Beschäftigte werden unter Druck gesetzt. In anderen Unternehmen zählt nur das Ergebnis, es gibt wenig feste Strukturen und viel Entscheidungsfreiheit auf allen Hierarchieebenen. Menschen kommen damit unterschiedlich gut zurecht. Druck kann als Orientierungshilfe empfunden werden, Freiheit als Orientierungslosigkeit. Was den einen Menschen motiviert, ist für den anderen ein Alptraum. Natürlich gibt es eine große Menge an Literatur und Fortbildungen zu „Trust-based Leadership“, denn praktisch alle Unternehmen müssen sich heutzutage Teamorientierung, Hierarchiearmut und Agilität auf die Fahnen schreiben. Die Grundausrichtung der Unternehmenskultur bleibt dennoch. Für beide Kulturen (ich habe hier aus Platzgründen nur zwei Extremformen genannt) gibt es sehr erfolgreiche Unternehmen, sowohl unter großen Konzernen als auch unter kleinen Firmen und unter Startups, unabhängig von der Branche. Ein leichter Trend zu mehr vertrauensbasierter Führung trifft im Zweifelsfall auf gewachsene und sehr feste Strukturen. Es hilft also nur, sich vorher zu informieren, wie das Unternehmen tickt, für das man sich interessiert. Leider hängt der Zugang zu diesen Informationen stark von der persönlichen Biographie ab. Unter diesem Aspekt wird die Einführung des Schulfachs Wirtschaft, in NRW als Pflichtfach ab 2020/2021 vorgesehen, auch dazu beitragen können, individuelle Lebensentscheidungen vor Fehlgriffen zu bewahren.
Vertrauensverluste in Krisensituationen
Krisenzeiten werden assoziiert mit Vertrauensverlusten: Vertrauen der Beschäftigten in ihr Unternehmen. Über die Börse das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger in ein Unternehmen. Vertrauen in die Geschäftsführung, ob sie das Unternehmen aus der Krise wieder herausführen kann. Wenn harte Einschnitte anstehen, ist das Vertrauen zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat entscheidend für den Verlauf von Verhandlungen. In allen Situationen hilft es, vorher in den Aufbau von Vertrauen investiert zu haben. Wenn das Vertrauen vorhanden ist, zeigt sich jetzt seine Belastbarkeit. War es nie da oder eher klein, werden Lösungen nun um so schwieriger zu finden sein. Hinzu kommt: Ist die Krise hausgemacht? Dann kommen unterschwellige oder offene Schuldzuweisungen hinzu; daraus können Lager und Grabenkämpfe entstehen – ein schwieriger Nährboden für Vertrauen in das große Ganze. Sind die Krisen aus Unternehmensperspektive exogen – also z.B. Ölkrise, Finanzkrise, Corona-Krise – kann das zunächst zusammenschweißen. Dennoch greifen sehr schnell dieselben Mechanismen. In der Krise gilt es also, einem Vertrauensverlust schnell gegenzusteuern, und nach der Krise Maßnahmen zu ergreifen, um verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen. Denn in der Regel gilt: Nach der Krise ist vor der Krise, und dann ist Vertrauen ein Asset, eine wertvolle Ressource, die das Unternehmen benötigt. Erfahrungsgemäß anfällige Unternehmen sind häufig professionell vorbereitet, mit Risikomanagement, Störfallszenarien, Krisennotplänen und vorbereiteter Krisenkommunikation – bei Unfällen in Chemieunternehmen oder Flugzeugabstürzen beispielsweise sieht man das Krisenmanagement öffentlich wirken, auch mit dem Ziel, Vertrauen in das Unternehmen zu stabilisieren.
Vertrauensgewinn in Krisenzeiten als Impuls für Veränderungen
Gleichzeitig kann Vertrauen in Krisenzeiten auch wachsen. Die eine oder der andere hat vielleicht schon Situationen erlebt… Wenn die Nerven blank liegen, erkennt man den Charakter. Wenn man dann gemeinsam zusammensteht, weiß man, auf wen man sich verlassen kann. Da wächst Vertrauen. Dass Vertrauensgewinn in Krisen nicht nur im Kleinen, sondern auch im großen Stil entstehen kann, das erleben wir gerade live mit: Stichwort „Home Office“. Managementfachliteratur wie Tagespresse sind voll mit Hinweisen (und mit meinen persönlichen Eindrücken deckt es sich ebenfalls), wie lange es in wie vielen Unternehmen hieß, Home Office ginge gar nicht. Oder nur einzelne Beschäftigte, oder nur maximal einen Tag in der Woche. Jetzt waren komplette Abteilungen wochen- und monatelang im Home Office, und die Arbeitsabläufe in den Firmen gingen, nach anfänglicher Eingewöhnung in die Videokonferenztechnik, reibungslos weiter. Zur Klarstellung: Natürlich liefen nicht die Unternehmen an sich reibungslos weiter. Umsätze sind in einem Ausmaß weggebrochen, das wir so noch nicht erlebt haben und wir stecken in einer tiefen Wirtschaftskrise. Das liegt aber nicht daran, dass im Home Office nicht ordentlich gearbeitet würde. Viele Vorgesetzte haben gezwungenermaßen erlebt, dass sie ihren Teams sehr wohl vertrauen können, auch von zuhause aus ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Viele Menschen sind nicht mehr bereit, in die vor-Corona-Zustände zurückzukehren, mit Berufsverkehr, auf den letzten Drücker das Kind aus der KiTa abzuholen und hektisch noch irgendwie die Einkäufe zu erledigen. Andere wiederum haben festgestellt, dass Home Office auf Dauer nichts für sie ist. Ich als Liberale begrüße es, dass dieser Weg zu viel individuelleren Arbeitszeitmodellen führt, die der und dem Einzelnen besser gerecht werden als fixe Strukturen. Dass die Sicherung unserer Wirtschaftskraft Vorrang hat, steht außer Frage, ist hier aber auch nicht das Thema.
Politik für Unternehmen ist Politik für Menschen
Vielmehr ist mir gerade in diesen Zeiten noch einmal mehr klar geworden, dass wir auch Politik für „Unternehmen“ am Ende immer für Menschen, für Individuen machen. Wenn wir die verschiedenen Politikfelder und Lösungsansätze ganzheitlich denken, können wir notwendige Veränderungen mit Verbesserungen der Lebensqualität für den Einzelnen verbinden. Dieses Vertrauen in liberale wirtschafts- und sozialpolitische Kompetenz habe ich.
Zahlreiche weitere Bereiche, in denen Vertrauen für Unternehmen eine zentrale Rolle spielt, sind hier aus Platzgründen unerwähnt geblieben: Innovation. Veränderung. Geschäftliche Transaktionen. Grenzüberschreitende Geschäfte. Umgang mit Geschäftsgeheimnissen. Etc. Auf staatliche und politische Institutionen sind viele Aspekte übertragbar, teilweise sind Abweichungen und Varianten zu berücksichtigen. Darüber diskutiere ich gerne an anderer Stelle weiter!
Dagmar Saschek ist Unternehmensberaterin, Altstipendiatin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Mitglied der FDP Düsseldorf und im Wahlkampfteam für die Kommunal- und Oberbürgermeisterwahl 2020 im Lenkungsteam Social Media Expertin für die politische Kommunikation. E-Mail: dss@dagmarsaschek.de