Misstrauen in Politiker?

Vertrauen schwindet durch leere Wahlversprechen, korrupte oder kriminelle Regierungen und Politiker, die vergessen, wofür sie stehen. „Politiker XY mag ich nicht. Er ist listig und hinterhältig.“ Bei vielen Bürgern manifestiert sich ein Urmisstrauen in die Politiker und die Regierungen. Woher kommt das? Ist es überhaupt gerechtfertigt? Wie lässt sich dieser Trend international beobachten?

In Israel gehen die Menschen aktuell auf die Straße und demonstrieren, weil ihr Regierungschef immer noch die Zügel fest in der Hand hält. Gegen ihn läuft ein Korruptionsprozess. Der Vorwurf, er habe sich für politische Gefälligkeiten reich beschenken lassen, macht viele Bürger wütend während sie mit geringem Einkommen über die Runden kommen müssen. Korrupte und kriminelle Politiker sind kein Einzelfall. Wo Macht ist, ist auch Geld und wo Geld ist, ist auch Macht. Bereits im 19 Jahrhundert wusste Lord Acton: „Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut.“ Die Versuchung in der Politik ist also dauerhaft gegeben und wird durch zunehmenden Lobbyismus und sinkende Transparenz verstärkt. Nachvollziehbar, dass der ein oder andere da nicht widerstehen kann. Mindestens genauso nachvollziehbar die Reaktionen in der Gesellschaft: wachsender Unmut, sinkende Sympathie und viele Politiker unter Generalverdacht.

Ein anderes Beispiel beobachten wir gerade in Berlin: Die Steuerhinterziehung von Katrin Lompscher (Die Linke) Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen kam ans Licht und zwang sie zum Rücktritt. Zusätzlich zu ihrem Senatoren-Gehalt von knapp 14000 Euro Brutto monatlich, bekam sie für ihre Tätigkeit bei der Investitionsbank und der Tempelhof Projekt GmbH jährlich knapp 8000 Euro. „Bedauerlicherweise musste ich feststellen, dass ich das versäumt habe.“ ihre Antwort, als sie mit fehlenden Steuerangaben konfrontiert wurde. Ob man den Bürger für dumm verkaufen möchte oder dieses „Versäumnis“ tatsächlich ohne Vorsatz stattgefunden hat, kann jeder für sich selbst entscheiden. So oder so wirft dieses Ereignis kein positives Licht, weder auf Politiker noch die Politik im Allgemeinen.

Doch auch die unerfüllten Wahlversprechen der Politiker generieren Zweifel. Warum diese nicht immer erfüllt werden, hat verschiedene Ursachen: der falsche Koalitionspartner, mangelndes Budget oder eine plötzlich auftretende Pandemie. Doch die Ursache ist dem Bürger egal. Wenn Max und Lisa sich entscheiden die SPD zu wählen, weil diese verspricht ihren Mindestlohn anzuheben und nach vierjähriger Amtszeit immer noch nicht die versprochenen 12€ pro Stunde umgesetzt wurden, sorgt das für Entrüstung. Aktuell beträgt dieser 9,35 Euro- es wird sich zeigen, ob Hubertus Heil im letzten Jahr der Legislaturperiode noch etwas reißen kann. Natürlich ist es einfach mit dem Finger auf andere zu zeigen, vor allem, wenn man sich aktuell in der Opposition befindet und nicht die Mehrheit im Bundestag hat, um die Wahlversprechen umzusetzen. Aber auch dies ist keine Ausrede. 2017 haben wir uns aktiv dafür entschieden, nicht in die Regierung einzutreten, weil wir davon  überzeugt waren, dass wir die Versprechen, die wir unseren Wählern gegeben haben, nicht erfüllen könnten. Damals haben wir das Vertrauen verloren und sollten nun alles daran setzen, dieses wiederzugewinnen.

Wahlversprechen werden missbraucht. Diese Tendenz ist ubiquitär. Putin versprach bis 2020 die Schaffung von 25 Millionen neuen hochtechnisierten, gut bezahlten Arbeitsplätzen, die Erhöhung der Reallöhne um 50 Prozent und die Steigerung der Lebenserwartung auf 74 Jahre. Überraschender Weise wurden weder dieser Ziele erreicht, noch ist mit der Umsetzung der weiteren Pläne wie beispielsweise der Digitalisierung  der Wirtschaft und dem Aufbau eines flächendeckenden 5G-Netzes bis 2024 zu rechnen. Stattdessen: externale Schuldzuweisung und Aufschiebung des Zielzeitpunktes. Andere Beispiele: die PKW-Maut, der Soli oder die Mehrwertsteuerdebatte 2005 (es kam letzen Endes zu einer Erhöhung, nachdem die SPD sie unverändert lassen und die CDU sie um 2 Prozent senken wollte) in Deutschland, das Haushaltsdefizit in den USA und die Rentenreform in Frankreich; die Liste ist endlos.

Googelt man politische Skandale, so sind Begriffe wie die „Watergate-Affäre“, der „Ibiza-Skandal“ und unzählige Rücktritte aufgrund von Fehlverhalten offensichtlich. Vetternwirtschaft,  Lobbyismus und Beschäftigungen von vielen Politikern in der Privatwirtschaft: Gerhard Schröder, welcher nach seiner Amtszeit als Bundeskanzler zu Gazprom ging, Sigmar Gabriel, der ehemalige SPD-Chef und aktuell politischer Berater der Eurasia Group, Andrea Nahles, die jetzige Präsidentin der Bundesagentur für Post und Telekommunikation oder Ronald Profalla, welcher vom Kanzleramtschef und Minister für besondere Aufgaben zum Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn wurde (dafür qualifizieren ihn zusätzlich abgeschlossene Studien der Sozialpädagogik und Rechtswissenschaft). Selbstverständlich stehen viele Politiker als Personen des öffentlichen Lebens und Verantwortungsträger unter ständiger Beobachtung der Medien , umso mehr sollte das eigene Auftreten und Verhalten analysiert und reflektiert werden.

Doch dieses Jahr konnten wir auf psychologischer Ebene eine besondere Entwicklung beobachten. Als in sämtlichen Ländern die Angst wuchs, die Sicherheit sank, war es eine stabile Regierung die Vertrauen gewinnen konnte. Genauso schnell wie das Vertrauen sinken kann, kann es also auch wieder ansteigen. Man stelle sich ein wankendes Grundgerüst und einen kleinen Windhauch vor und schon taucht die Regierung als großer, starker Retter auf. Wir lernen also: Vertrauen ist kein stabiles Konstrukt. Es kann durch viele politische Ereignisse, wie Finanzkrisen, Umweltkatastrophen und Enthüllungsgeschichten beeinflusst werden. Kompetente und prinzipientreue Personen können das Vertrauen der Bürger gewinnen.

Was können wir also aus dieser Analyse mitnehmen? Wie schaffen es politische Akteure das Vertrauen der Wähler zu gewinnen und dieses auch langfristig zu halten? Sympathie, Charisma und ein gesundes Selbstbewusstsein sind genauso wichtig wie Fleiß, Mühe und auch Umsetzungen der Wahlziele. Es wäre naiv zu erwarten, dass sämtliche Wahlziele umgesetzt werden können, doch sollte das Instrument des Wortes nicht allzu oft missbraucht werden. Mir wurde als Kind immer die Geschichte eines Jungen erzählt. Er verärgerte seine Mitmenschen im Dorf, indem er sie ständig fälschlicherweise um Hilfe rief, weil ein Wolf ihn angeblich angreifen würde. Als dann eines Tages tatsächlich ein Wolf kam, nahm keiner seine Rufe ernst und er wurde zerfleischt. Übertragen wir diese Geschichte auf uns, so können wir daraus die Macht des Wortes, der Ehrlichkeit und des Vertrauens mitnehmen. Ein Missbrauch führt früher oder später zum Zerfleischen durch Medien und Gesellschaft.

Isabel Lutfullin (19) studiert Humanmedizin an der Westfälischen-Wilhelms-Universität zu Münster und ist stellvertretende Landesvorsitzende der Liberalen Hochschulgruppe NRW. Ihr erreicht sie unter Isabel.lutfullin@gmx.de