Startchancen – Weil Kinder nichts für ihre Eltern können

Der Liberalismus setzt wie keine andere Werthaltung auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit eines jeden Bürgers. Die liberale Gesellschaft vertraut auf die Selbstorganisation, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung ihrer Bürger. Sie zeigt Respekt vor den verschiedensten Lebensentwürfen und Lebensverläufen und akzeptiert Ungleichheit als Ausdruck der unterschiedlichen Leistungsbereitschaft und Talente ihrer Bürger. Sie ermöglicht damit jedem die ideale Verwirklichung der eigenen Lebensziele und die Chance auf Veränderung des scheinbar Unabänderlichen durch eigene Initiative und Tatkraft. In der liberalen Gesellschaft  kann die soziale Herkunft durch eigene Leistung überwunden werden. Um diese Verantwortung für die Freiheit des eigenen Lebens voll nutzen zu können, bedarf es bestimmter Voraussetzungen. Junge Menschen müssen vom Beginn ihres Lebens an in die Lage versetzt 12 werden, die Möglichkeiten der Freiheit ergreifen zu können. Deshalb entstehen gute Startchancen für jeden zwar vor allem durch den Verzicht auf äußere Zwänge, staatliche Einschränkungen und starre Gesellschaftsbilder, aber auch durch den Ausgleich schlechter Bedingungen zu Beginn des Lebens. Um ihre Freiheit leben zu können, müssen alle jungen Menschen über faire Startchancen verfügen.

Materielle Grundlagen für jedes Kind

Die Sicherstellung des soziokulturellen Existenzminimums für alle Bürger ist eine wichtige und notwendige Voraussetzung zur Nutzung der eigenen Lebenschancen. Umso mehr gilt dies für Kinder, die ihre materielle Situation nicht selbst beeinflussen können. Kinderarmut manifestiert sich in NRW durch das dichte soziale Netz nicht in Form absoluter Armut und einer mangelnden Existenzgrundlage. Auch ist das Konzept der relativen Armut nicht zielführend, da es nur die Ungleichheit der Einkommensverteilung misst. Vielmehr zeigt sich Kinderarmut in NRW als ein Mangel an Chancen zur Verwirklichung seines eigenen Lebensglücks und gesellschaftlicher Teilhabe. Die Forderung nach mehr Geld geht deshalb am eigentlichen Problem der Kinderarmut vorbei. Wir wollen stattdessen dafür sorgen, dass vorhandene Fördermittel auch tatsächlich bei den Kindern ankommen. Gleichzeitig muss ein Umdenken in der Unterstützung derjenigen Eltern stattfinden, die nur knapp oberhalb des Existenzminimums liegen. Strukturell wird Kinderarmut nicht durch Sozialtransfers beseitigt, sondern durch die ausreichende Erwerbstätigkeit der Eltern. Diese zu unterstützen ist für uns eine staatliche Aufgabe. Zur Verbesserung der materiellen Situation von Kindern schlagen wir konkret vor:

  • Das steuerliche Ehegattensplitting soll entfallen. Stattdessen sollen Eltern im Rahmen des Familiensplittings den vollen Steuerfreibetrag pro Kind untereinander beliebig aufteilen können. Dabei dürfen keine steuerlichen Nachteile für bestehende Ehen entstehen.
  • Die Kosten für die Betreuung des eigenen Kindes sollen steuerlich voll abzugsfähig sein. Zur Gegenfinanzierung können Erziehungs- und Betreuungsgeld entfallen.
  • Die betriebliche Entgeltfortzahlung während der Schwangerschaft soll zur Förderung der Frauenbeschäftigung entfallen. Stattdessen soll das Mutterschaftsgeld in Lohnhöhe für den gleichen Zeitraum durch den Staat gezahlt werden. Zur Gegenfinanzierung kann die Erhöhung der „Mütterrente“ zurückgenommen werden, sodass ein entsprechender Steuerzuschuss an die Rentenversicherung entfallen kann.
  • Unterhaltsvorschüsse für Alleinerziehende sollen zukünftig bis zum 16. Lebensjahr des Kindes bezogen werden können. Die Kommunen müssen stärker als bisher die Schuldner zur Begleichung heranziehen.
  • Jugendliche ab 16 Jahren sollen selbst Anspruchsberechtigte des Kindergeldes sein, sofern sie einen eigenen Haushalt führen. Die elterliche Unterhaltspflicht soll ab dem 18. Lebensjahr pauschaliert werden.
  • Jugendämter sollen das Kindergeld bei erwiesenem Missbrauch durch die Eltern in Sachmittel und kindsbezogene Gutscheine umwandeln können. Dieses Vorgehen soll nach Ablauf einer Frist erneut überprüft und gegebenenfalls weiter fortgesetzt werden.
  • Das Bildungs- und Teilhabepaket muss in der Zielgruppe beworben werden. Unterstützungsmaßnahmen wie das Zahlen von Klassenfahrten oder Bildungsangeboten müssen schnell und unbürokratisch zu beantragen sein.
  • Langfristig muss eine deutliche Straffung aller kinderbezogenen Sozial- und Familienleistungen geprüft werden. Im Rahmen eines Kinderbürgergelds könnten der steuerliche Kinderfreibetrag, Kindergeld, Kinderzuschlag, Sozialgeld nach SGB II, Erziehungsgeld und Betreuungsgeld zu einem pauschalen Zuschuss für jedes Kind zusammengelegt und steuerfrei an die Eltern ausgezahlt werden. Im Rahmen der Prüfung dieses Modells müssen insbesondere die finanziellen Auswirkungen untersucht werden.

Die beste Bildung, Erziehung und Betreuung für jedes Kind

Die allermeisten Eltern vermitteln ihren Kindern liebevolle Zuneigung, sorgen für ihre materielle Grundlage und erziehen sie durch geistige Zuwendung zu mündigen Bürgern. Die Jungen Liberalen NRW bekennen sich ausdrücklich zum grundgesetzlich garantierten Schutz der Familie und zum elterlichen Erziehungsrecht. Dem Staat kommt nur ein nachgelagertes und ergänzendes Erziehungsrecht zu. Er darf nur in das Erziehungsrecht der Eltern eingreifen, um eigene Grundrechte der Kinder zu schützen. Er schafft ein Angebot an Unterstützungsleistungen, das allen Kindern faire Startchancen schafft. Zur Verbesserung der sozialen Situation von Kindern schlagen wir konkret vor:

  • Frauenärzte und Hebammen sollen schon während der Schwangerschaft alle werdenden Eltern über soziale Beratungs- und Unterstützungsangebote informieren. Nach der Geburt sollen die Eltern ein Babybegrüßungspaket erhalten, das neben rechtlichen Hinweisen und praktischen Tipps auch konkrete Ansprechpartner für die verschiedensten Problemlagen benennt. Sie sollen auf Wunsch durch das Jugendamt überreicht werden.
  • Hinweisen auf einen problematischen Umgang mit den eigenen Kindern muss das Jugendamt schnell nachgehen. Neben der Kontaktaufnahme zu den Eltern mit dem Ziel der Unterstützung auf freiwilliger Basis unterstützen wir dabei in letzter Konsequenz auch die Möglichkeit, im Falle festgestellter, gravierender und anhaltender Mängel das Sorgerecht auf das Jugendamt zu übertragen. Pflegefamilien sollen strengen Anforderungen genügen, die regelmäßig überprüft werden müssen.
  • Die wichtigsten Kindervorsorgeuntersuchungen sollen verpflichtend sein. Werden im Rahmen dieser Untersuchungen dringende Hinweise auf Misshandlung, Missbrauch oder schwere Vernachlässigung eines Kindes festgestellt, entfällt die ärztliche Verschwiegenheitspflicht. Im Falle der vorsätzlichen und wiederholten Nichtteilnahme an den U-Untersuchungen soll für die Betroffenen das Kindergeld in Sachmittel umgewandelt werden.
  • Nach dem zeitlichen Ende des Mutterschaftsgeldes befürworten wir den Rechtsanspruch auf eine Kinderbetreuung. Kindertagesstätten sollen die Berufstätigkeit der Eltern fördern und haben sich an deren Bedürfnissen auszurichten. Dazu sind flexible Betreuungszeiten bis hin zur 24-Stunden-KiTa für Schicht- und Nachtarbeiter sowie verstärkte Profilbildungen nötig. Dabei soll die maximale tägliche Betreuungszeit, in der Regel, nicht 12 Stunden überschreiten. Bei den KiTas ist zum Zwecke des Wettbewerbs um die besten Konzepte eine Trägervielfalt sicherzustellen. Außerdem sollen Betriebskindergärten besonders gefördert werden. Um Jungen passgenauer fördern zu können, soll der Anteil männlicher Erzieher und Grundschullehrer durch Information und Werbung gesteigert werden. KiTas und Familienzentren sollen besser vernetzt werden.
  • Langfristig soll ein regulärer KiTa-Platz, unter Wahrung des Konnexitätsprinzips, für die Eltern gebührenfrei sein. Die Betreuungsqualität darf hierunter nicht leiden.
  • In KiTas soll frühzeitig kindgerechte Bildungsarbeit stattfinden. Insbesondere hier können unterschiedliche soziale Hintergründe der Kinder durch spezielle Förderung ausgeglichen werden. Hierbei wird sowohl auf Fachpersonal als auch auf ehrenamtliches Engagement gesetzt.
  • Kindergärten und KiTas sollen auch in Zukunft vor allem der Betreuung und dem spielerischen Erlernen grundlegender Sozial- und Sprachkompetenzen dienen. Die inhaltliche und pädagogische Ausrichtung, soll dabei den jeweiligen Kindergärten und KiTas überlassen bleiben.
  • Schon in den KiTas freiwillig und verpflichtend fortgesetzt in den Grundschulen muss es Sprachtests für alle Kinder geben. Die Delfin-Tests müssen dafür wieder eingeführt und qualitativ verbessert werden. Im Falle sprachlicher Defizite kann die Grundschule die Teilnahme am schulischen Förderunterricht anordnen. Das sichere Beherrschen der deutschen Sprache in Wort und Schrift muss ein vorrangiges Ziel der Grundschulpädagogik sein. Auch andere Lernbehinderungen wie etwa Dyskalkulie sollen frühzeitig durch verpflichtende Tests festgestellt werden, um rechtzeitig pädagogische Hilfestellungen geben zu können. In Zukunft soll ab der 1. Klasse die korrekte Rechtschreibung konstruktiv vermittelt werden, dabei kann etwa die Ganzwort/Ganzheitliche Methode verwendet werden.
  • Bei weiterführenden Schulen soll es die freie Wahlmöglichkeit zwischen Halbtags- und Ganztagsangeboten geben. Ganztagsangebote müssen so organisiert sein, dass private oder im Verein organisierte Freizeitbeschäftigungen möglich bleiben. Die reine Nachmittagsbetreuung bei Ganztagsangeboten muss auf jeden Fall optional bleiben. In jedem Fall muss es in allen weiterführenden Schulen eine Möglichkeit der Mittagsverpflegung geben.
  • Räumlich gebundene Kinder- und Jugendarbeit geht oft an den realen Bedürfnissen vorbei. Gerade in sozialstrukturell schwierigen Gegenden muss die Sozialarbeit zu den Betroffenen kommen, nicht andersherum. Deshalb setzen wir verstärkt auf mobile Kinder- und Jugendarbeit.

Starke Kinder brauchen eigene Rechte

Ungeachtet des elterlichen Erziehungsrechts haben Kinder vom ersten Tage ihres Lebens an auch eigene Rechte. Diese zu schützen und auch gegenüber den Eltern durchzusetzen ist unbedingte staatliche Pflicht. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf Bildung und auf materielle wie seelische Fürsorge steht oberhalb des elterlichen Erziehungsstils. Auch haben Kinder im Rahmen ihrer Mündigkeit das Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit, auch gegen den Willen ihrer Eltern. Kinder sind heute schon früher als in der Vergangenheit in der Lage, selbst Verantwortung zu tragen. Zur Verbesserung der rechtlichen Situation von Kindern schlagen wir konkret vor:

  • Eigene Kinder- und Jugendrechte müssen unmittelbar Verfassungsrang erhalten. Art. 6 (1) des Grundgesetzes soll dafür erweitert werden.
  • Bei ausreichender geistiger Reife sollen Kinder unabhängig vom Alter im Sorgerechtverfahren angehört werden.
  • Andauernder Hausarrest stellt für Jugendliche eine erhebliche Mobilitätsbeschränkung dar, die ab dem vollendeten 16. Lebensjahr als Freiheitsberaubung strafbar sein soll, sofern sie physisch oder nötigend erzwungen wird.
  • Für Jugendliche ab 16 Jahren soll zukünftig eine gesetzliche Teilgeschäftsfähigkeit gelten. Für Jugendliche ab 16 Jahren soll zukünftig eine gesetzliche Teilgeschäftsfähigkeit gelten. Jugendliche sollen Vertragsverhältnisse im Rahmen des halben Wertes des elterlichen Unterhaltsanspruches aus eigener Kraft und durch die Eltern unanfechtbar schließen können. Bei Ratenzahlungen darf die Gesamtschuld den einmaligen Verfügungsbetrag nicht übersteigen. Für finanziell unbelastende Vertragsverhältnisse soll in der Regel die volle Geschäftsfähigkeit vorliegen.
  • Im Zuge dieser „Vor-Volljährigkeit“ sollen Jugendliche auch das generelle aktive Wahlrecht erhalten.
  • Das Jugendschutzgesetz muss endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Zeitliche Ausgehbeschränkungen für den Besuch von Gaststätten, Tanzveranstaltung usw. sollen nicht mehr für Jugendliche ab 16 Jahren gelten. FSK und USK sollen für sie nicht mehr bindend sein. Tabakwaren und auch branntweinhaltige Alkoholika sollen sie frei erwerben können.
  • Im Rahmen der „Vor-Volljährigkeit” soll auch das Jugendstrafmaß geändert werden. Das jetzige Strafmaß für 18- bis 21-jährige soll für 16-18 Jährige gelten und ab dem 18. Lebensjahr das volle Strafmaß.
  • Das sexuelle Schutzalter von 14 Jahren hat sich grundsätzlich bewährt. Personen über 14 Jahren können grundsätzlich selbst über ihre sexuelle Aktivität entscheiden. Die Klagemöglichkeit für die Eltern von 14- und 15-Jährigen, die eine sexuelle Beziehung zu einer über 21-jährigen Person unterhalten, soll daher entfallen. Ab dem vollendeten 16. Lebensjahr soll sexuelle Aktivität nicht mehr strafbar sein können, wenn sie im Einvernehmen der Beteiligten, ohne Ausnutzung einer Zwangslage und nicht gewerblich stattfindet.