Mit Energie in die Zukunft

I – Aktuelle Situation und Ausblick

In den nächsten Jahrzehnten ist angesichts der zunehmenden Überwindung der Armut in den Schwellen- und Entwicklungsländern, steigender Weltbevölkerung, zumeist ebenfalls steigender Lebenserwartung sowie steigendem Lebensstandard mit einer drastischen Erhöhung des weltweiten Energiebedarfs zu rechnen. Bei uns in Europa bedeutet der im gleichen Zeitraum höchstwahrscheinlich stattfindende Umstieg von Verbrennungsmotoren zu Elektro- oder Wasserstoffantrieben im Straßenverkehr einen erheblichen Anstieg des Bedarfs insbesondere an elektrischer Energie. Diese Entwicklungen sind vor dem Hintergrund des anthropogenen Treibhauseffektes, also der vom Menschen hervorgerufenen globalen Erwärmung, zu betrachten. Die durch das Verbrennen fossiler Energieträger hervorgerufene Veränderung in der Zusammensetzung der Erdatmosphäre führt zu einem weltweiten Temperaturanstieg mit weit reichenden negativen Folgen. Im Jahr 2007 verständigte sich die Europäische Union daher auf eine gemeinsame Klimaschutzstrategie. Diese sieht unter anderem eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um mindestens 20 Prozent vor. Im Zuge einer gerechten Lastenverteilung sollen dabei Länder mit vergleichsweise stabiler Ökonomie, darunter Deutschland, einen besonders umfangreichen Beitrag leisten. Gegenwärtig wird zudem unsere Abhängigkeit von Energieimporten einmal mehr deutlich. Andere Staaten können diese bewusst als politisches Druckmittel einsetzen, wie dies in fernerer (OPEC) wie jüngerer (Russland) Vergangenheit immer wieder der Fall war. Angesichts der gegenwärtig in der Öffentlichkeit geführten, häufig lediglich Teilbereiche beleuchtenden Debatte sprechen die Jungen Liberalen sich daher für ein umfassendes, liberales Modell zur Energiepolitik aus, welches ordnungs-, umwelt- und geopolitische Ansätze sinnvoll vereint.

Die Jungen Liberalen NRW sind überzeugt von den Vorteilen freier Märkte für Gesellschaft und Verbraucher. Dies gilt auch und insbesondere für die Energiemärkte. Gerade in diesem Bereich bestehen jedoch derzeit bestenfalls eingeschränkt funktionierende Märkte. Wenige Oligopolisten beherrschen den Markt, politisch und ideologisch motivierte Subventionen verzerren ihn, Gleichzeitig ist er national beschränkt und lässt Verbrauchern nur sehr wenige echte Wahlmöglichkeiten. Umweltaspekte und aus der Nutzung von Energie entstehende gesamtgesellschaftliche Kosten werden nicht eingepreist.

Angesichts dieser Lage sind folgende Punkte vorrangig zu adressieren:

1. Hinsichtlich des Problems der Umweltverschmutzung (insbesondere der Emission von Treibhausgasen) liegt ein weitgehendes Marktversagen vor. Das Verschmutzen der Umwelt bzw. Emittieren von Treibhausgasen kostet nichts bzw. immer noch zu wenig. Im Einklang mit unserer umweltpolitischen Linie ist daher eine Fortentwicklung der Sozialen zur Sozialen und Ökologischen Marktwirtschaft erforderlich. Dies bedeutet vor allem Internalisierung externer Kosten, also die konsequente Anwendung des Verursacherprinzips. Dabei wollen wir marktwirtschaftliche Instrumente zur Erreichung umweltpolitischer Ziele nutzen. Umweltschutz darf für Unternehmen nicht länger allein eine Frage des guten Willens oder des zwangsläufigen Einhaltens von gesetzlichen Grenzwerten sein, sondern muss sich betriebswirtschaftlich rechnen. So wird ein Anreiz geschaffen, aus Eigeninteresse möglichst wenig Umweltverschmutzung zu verursachen. Bestes Beispiel hierfür ist der Emissionshandel. Diesen gilt es endlich umfassend zu verwirklichen. Das bisherige Deutsche Modell, in dem ein Großteil der Emissionszertifikate – insbesondere für die stärksten Emittenten – kostenlos ausgegeben wird, ist in eine Versteigerung bei Zertifikatsausgabe umzuwandeln.

2. Es besteht gegenwärtig kein fairer Wettbewerb der Energieträger tatsächlich ist Energie eines der politischsten Güter schlechthin. Praktisch alle für die Stromerzeugung eine größere Rolle spielenden Energieträger werden in der ein oder anderen Art subventioniert. Der Abbau von Steinkohle wird noch bis 2018 staatlich bezuschusst, die Verfeuerung sowohl von Braun- als auch Steinkohle wird über kostenlose Emissionszertifikate subventioniert, erneuerbare Energien über das Erneuerbare Energien Gesetz, Kernenergie über eine enorm niedrige Deckelung der vorgeschriebenen Versicherungssumme bzw. Deckungsvorsorge. Dies führt zu einer intransparenten und verzerrten Marktsituation. Langfristig muss daher die Kosteninternalisierung als einziges, zentrales Steuerungsinstrument genutzt werden und alle anderen ersetzen. Dies bedeutet etwa, dass zukünftig Betreiber von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerken ihre in großem Umfang benötigten Emissionszertifikate in einer Auktion kostenpflichtig erwerben müssen, Betreiber von Kernkraftwerken sich demnächst gegen das Risiko kerntechnischer Unfälle in erheblich höherem Maße (in Form von europäisch angeglichenen und über das heutige Niveau hinausgehenden sowie schrittweise steigenden Mindestversicherungssummen) versichern müssen und auch erneuerbare Energien in fortan verstärktem Maße im offenen Wettbewerb mit anderen Formen der Stromerzeugung stehen.

3. Strategische Erwägungen hinsichtlich der Versorgungssicherheit sind angesichts des steigenden weltweiten Energiebedarfs und unserer geopolitischen Lage verstärkt anzustellen. Da die zuverlässige Versorgung mit Energie für jede Volkswirtschaft von entscheidender und überlebensnotwendiger Bedeutung ist, stellt sie neben ihrer rein wirtschafts- und energiepolitischen Bedeutung zudem einen wichtigen Faktor unserer sicherheitspolitischen Interessen dar. Versorgungssicherheit ist von übergeordnetem strategischem Interesse und muß somit staatlicherseits berücksichtigt werden. Heimische Energieträger wie Wasser- und Windkraft, Solarenergie, Biomasse und Braunkohle sollen die Abhängigkeit von zu importierenden Energieträgern, wie bspw. Erdgas, reduzieren. Die Jungen Liberalen sprechen sich zudem für gesamteuropäische Bemühungen hinsichtlich der Diversifikation unserer Gas- und Öllieferanten (etwa durch Flüssiggas oder die verstärkte Erschließung nordafrikanischer Lagerstätten) aus. Den bestehenden Angebotsmonopolen ist zudem ein geschlosseneres Auftreten der Nachfrageseite entgegensetzen. Das im EU-Reformvertrag enthaltene Bekenntnis der Mitgliedsstaaten zu Energiesolidarität wollen die Jungen Liberalen zu einem echten Energie-Beistands-Pakt mit wechselseitigem Zugriff auf Lieferanten, Durchleitungswege und strategische Reserven ausbauen. Entsprechender wechselseitiger Beistand wird nicht nur von der Mehrheit der Unionsbürger erwartet, sondern sichert insbesondere im Falle von Naturkatastrophen, Terroranschlägen, Sabotageakten oder Lieferstopps durch Dritte die eng miteinander verwobene europäische Wirtschaft.

4. Derzeit beherrschen Oligopolisten den europäischen Energiemarkt Deutschland ist da keine Ausnahme. Dies bringt die bekannten Probleme (hohe Preise aufgrund von Absprachen bzw. mangelnder Konkurrenz) mit sich. Die nationale Strombörse in Leipzig funktioniert aufgrund der geringen Anzahl an Marktteilnehmern nicht wie sie sollte. Bezüglich dieses Problemfeldes sind konsequente Maßnahmen bzw. Regulierungen zur Sicherung eines funktionierenden Marktes erforderlich. Insbesondere ist die Trennung von Netz und Stromerzeugung dringlich. In diesem Zusammenhang begrüßen wir ausdrücklich die Initiative der EU-Kommission das ownership-unbundling, also die eigentumsrechtliche Abtrennung der Netze, zur Regel zu machen. Die geplante Ausnahmeregelung, bei der die Netze im Eigentum der Konzerne bleiben, der Netzbetrieb aber in eine Tochtergesellschaft ausgegliedert wird, wird von den Jungen Liberalen abgelehnt. Dies entspricht bereits heute weitgehend der Situation in der Bundesrepublik Deutschland und würde insofern keine substantielle Verbesserung bringen. In diesem Kontext verurteilen die Jungen Liberalen die Position der konservativ-sozialdemokratischen Bundesregierung, sich gegen eine echte Entwicklung hin zu offenen und funktionierenden Energiemärkten zu stemmen. Um ein Funktionieren des Energiemarktes sicherzustellen, gilt es einen marktkonformen Ordnungsrahmen – also konkrete Rahmenbedingungen und Spielregeln im Sinne einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft – zu setzen. Dabei müssen die bestimmenden Faktoren einer jeden Energiepolitik Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit sein. Diesen Dreiklang gilt es durch die entsprechenden Steuerungsinstrumente (etwa Emissionshandel) sicherzustellen.

1. Erhöhung der Energieeffizienz birgt kurz- bis mittelfristig das größte Potential zur Reduktion von Treibhausgasen. Experten halten etwa 30% gesamtgesellschaftliches Einsparpotential in den nächsten Jahrzehnten für möglich, dazu sind allerdings sowohl bei Energieerzeugung als auch Energieverbrauch Maßnahmen erforderlich. Konkret bedeutet dies, dass die Energieversorger dazu angetrieben werden sollen (durch Zertifikatshandel) alte Kraftwerksblöcke schnellstmöglich durch Neue zu ersetzten. Bei Privathaushalten sind z.B. elektrisch betriebene Heizungen auf Gas umzustellen und die Dämmung von Häusern zu verbessern. Dies ermöglicht eine Reduktion der Emissionen bei gleichbleibendem Lebensstandard, eine Reduktion der Importabhängigkeit sowie eine Senkung der Energiekosten etwa für die erzeugende Industrie. Gleichzeitig ist jedoch der gegenwärtige Fördersumpf trockenzulegen: Aktuell gibt es über 900 verschiedene Programme von der europäischen bis zur kommunalen Ebene. Diese sind unübersichtlich und teils schwierig zugänglich. Wir schlagen daher die Zusammenlegung zu einem einzigen Förderfond Energie & Klimaschutz vor. Intelligente und wirksame Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz können darüber hinaus verbindliche Vorgaben bzw. Standards für Neubauten und Instandsetzungen von Altbauten sein.

2. Ausbau erneuerbarer Energien Nach Überzeugung der Jungen Liberalen werden wir unsere Energieversorgung langfristig komplett auf erneuerbare Energien umstellen müssen, nach aktuellem Kenntnisstand ist allein auf diesem Wege nachhaltige Energieversorgung verantwortlich gewährleistbar. So wirksam das Erneuerbare Energien Gesetz für den derzeitigen Ausbau selbiger auch ist, streben wir mittelfristig jedoch eine Situation am Energiemarkt an, in der erneuerbare Energien keine besondere Förderung mehr benötigen. Dies wird einerseits begünstigt durch steigende Konkurrenzfähigkeit erneuerbarer Energien, andererseits durch die Verteuerung fossiler Energieträger sowie der Kernspaltung durch das Einpreisen externer Kosten. Den subventionierten Einsatz ineffizienter Technologie lehnen wir grundsätzlich ab. Erneuerbare Energien bieten ein großes Potential, brauchen jedoch Zeit zur Entwicklung. In den nächsten Jahrzehnten werden sie daher lediglich einen kleinen Teil unseres Energiebedarfs decken können. Einige erneuerbare Energien (Solar, Wind) sind zudem nicht für die Grundlastversorgung einsetzbar, also nur im Verbund mit anderen Energieträgern, etwa konventionellen Großkraftwerken oder Biomasse und Geothermie, nutzbar. Hinsichtlich des Landschaftsschutzes sprechen sich die Jungen Liberalen für eine Politik mit Augenmaß aus.

3. Einheitlichen Europäischen Energieraum schaffen Die Vernetzung der europäischen Strom- und Gasnetze muß stärker vorangetrieben werden. Ziel ist ein einheitlicher europäischer Energiemarkt zur Stärkung des Wettbewerbs, Senkung der Preise und Erhöhung der Versorgungssicherheit durch Diversifikation. Ein größerer Markt mit ungleich mehr Marktteilnehmern entsteht, somit können Industrie und Verbraucher unter mehr Anbietern wählen. Zudem wird Europa gleichsam unteilbar in Energiefragen angesichts einer tief integrierten europäischen Wirtschaft eine zwingende Notwendigkeit.

4. Kernenergie als Übergangsenergie nutzen Bis andere CO2-neutrale Energieträger zur Verfügung stehen (und nur bis zu diesem Zeitpunkt) sprechen sich die Jungen Liberalen dafür aus, Kernenergie als Übergangsenergie zu nutzen. Realpolitisch bedeutet dies eine Laufzeitverlängerung der bestehenden Kernkraftwerke. Italienische Verhältnisse , also ein Atomausstieg nach welchem vermehrt Kohlekraftwerke gebaut und scheinheilig Atomstrom aus anderen europäischen Ländern importiert wird, lehnen wir ab. Bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie in Deutschland müssen zwei Dinge klar sein: Erstens müssen alle im Betrieb befindlichen Reaktoren höchste Sicherheitsstandards erfüllen. Ist dies nicht der Fall, sind sie unverzüglich durch das die Aufsicht führende Ministerium stillzulegen. Statt alte Reaktoren unverhältnismäßig lange laufen zu lassen, sollte die gesetzliche Möglichkeit geschaffen werden, alte Reaktoren durch neu errichtete, aktuellste Sicherheitsstandards erfüllende mit gleicher Kapazität zu ersetzen. Sobald die Erneuerbaren Energien, z.B. durch Fortschritte der Technik der Geothermie auch zur Deckung der Grundlast in der Lage sind, muss die Ersetzung selbstverständlich gestoppt werden. Zweitens muß unabhängig von der Dauer und Intensität der zukünftigen Nutzung der Kernenergie endlich eine nationale Endlagerstrategie für radioaktive Abfälle geschaffen werden. Die entsprechenden Planungen hinsichtlich Schacht Konrad (für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung) und Salzstock Gorleben (für hochradioaktive Abfälle) sind frei von ideologischen Überlegungen zielorientiert fortzusetzen.

5. CleanCoal (CO2-Abscheidetechnologie) voranbringen Das Abtrennen und Speichern von CO2 stellt die einzige Möglichkeit dar, Kohle in Zukunft verantwortlich zu nutzen. Somit könnte der niedrige Preis und die Versorgungssicherheit der heimischen Braunkohle klimaneutral genutzt werden. Die Technologie ist jedoch noch in der Erprobungsphase, bis zum kommerziellen Einsatz an breiter Front dauert es noch Jahrzehnte. Zudem stellt auch die CO2-Abscheidetechnologie keinen Königsweg dar. Das CO2 wird nur gelagert, weshalb das Problem nur aufgeschoben und nicht aufgehoben ist. Die in Teilen der Welt angedachte Speicherung im Meer ist mit vielen ökologischen Risiken behaftet. So ist die Speicherdauer nur schwer abzuschätzen und reicht von wenigen Jahrzehnten bis zu über tausend Jahren. Deswegen präferieren die Jungen Liberalen die Speicherung in geologischen Formationen unter der Erde. Unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit stellt CleanCoal langfristig insbesondere für das Kohleland NRW eine große Chance da, die weitere Nutzung der Kohle bis zum angestrebten Ausstieg aus den fossilen Energien klimafreundlich zu gestalten.

Zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen, umwelt- und klimaschonenden sowie zuverlässigen Energieversorgung wird nur eine Kombination verschiedener Maßnahmen zum Erfolg führen. Dabei setzen wir auf einen ordoliberalen Politikansatz zu Regulierung des Energiemarktes sowie begleitend umzusetzende Maßnahmen. Gerade Nordrhein-Westfalen als Energieland im Herzen Europas steht vor einer besonderen Herausforderung. Einerseits werden in NRW keine Kernspaltungs-Leistungsreaktoren betrieben, andererseits sind wir Kohleland Nummer 1. So besitzen wir zwar eine exzellente Versorgungssicherheit (hinsichtlich der Stromversorgung), gleichzeitig stehen jedoch vier der zehn größten CO2-Emittenten (allesamt Braunkohlekraftwerke) Europas in Nordrhein-Westfalen. Abseits ideologischer Debatten gilt es daher zukünftig eine rationale Energiepolitik zum Wohle von Mensch und Umwelt zu betreiben. Es ist Aufgabe der Liberalen, in der derzeitigen Debatte um Klima und Energie klares Profil zu zeigen und dieses Feld nicht länger kampflos den Ideologen und Populisten anderer politischer Kräfte zu überlassen. Die Verantwortung vor Bürger und Natur gebietet dies.