Präambel
Angesichts der veränderten geopolitischen Lage ist es notwendig, die deutsche Verteidigungspolitik neu auszurichten. Um Deutschlands Verteidigungsfähigkeit langfristig zu sichern, müssen jedoch nicht nur neue finanzielle Strukturen geschaffen, sondern auch strategische Prioritäten gesetzt werden. Dieser Antrag schlägt konkrete Maßnahmen vor, die nicht nur unsere Streitkräfte stärken, sondern auch die europäische Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung weiter intensivieren und ausbauen.
Wir JuLis fordern daher:
- Eine Weiterentwicklung des Sondervermögens zu einem Verteidigungsfonds
Die jüngste Änderung des Grundgesetzes, die es ermöglicht, Verteidigungsausgaben über 1 % des BIP von der Schuldenbremse auszunehmen, stellt eine erhebliche Erweiterung der fiskalischen Spielräume dar. Diese theoretisch unbegrenzte Kreditermächtigung kann nicht die Lösung sein. Wir fordern daher, ein mit klaren Kriterien definiertes Paket zu schnüren, den „Deutschen Verteidigungsfonds“, der nicht nur als Reaktion auf kurzfristige, außergewöhnliche geopolitische Herausforderungen dient, sondern den Übergang hin zu einer langfristigen, stabilen und nachhaltigen Finanzierungsbasis für die deutsche Verteidigung schafft.
Dieser Fonds soll mit einer einmaligen Aufstockung von 200 Milliarden Euro ausgestattet werden und gezielt für strategische Verteidigungsinvestitionen genutzt werden. Dabei muss jedoch klar definiert werden, welche Investitionen tatsächlich zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit beitragen. Laufende Betriebskosten und Personalkosten dürfen nicht durch den Fonds abgedeckt werden. Der Fokus des Fonds muss auf zukunftsorientierten Verteidigungsprojekten liegen, wie etwa der Beschaffung neuer Waffensysteme, der Weiterentwicklung technologischer Innovationen im Bereich der Cyberabwehr oder der Forschung zur Verbesserung der militärischen Fähigkeiten.
Es ist entscheidend, dass diese Regelung an konkrete und transparente Kriterien gebunden ist, um eine unverhältnismäßige Verschuldung zu vermeiden. Der Fonds sollte ein Instrument zur Übergangsfinanzierung darstellen, das eine temporäre Lösung bietet, um dringende Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit zu sichern. Langfristig müssen diese erhöhten Verteidigungsausgaben jedoch aus dem regulären Haushalt finanziert werden, sobald dies wirtschaftlich tragbar ist und der Haushalt nicht übermäßig belastet wird.
Ein unabhängiger jährlicher Bericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages soll transparent und nachvollziehbar darlegen, welche Ausgaben aus dem „Deutschen Verteidigungsfonds“ tatsächlich zur Verteidigungsstärkung genutzt wurden. So wird sichergestellt, dass der Fonds effizient und zielgerichtet genutzt wird.
- Die Möglichkeit zum temporären Abzug von Verteidigungsausgaben über 2 % des BIP vom Staatsdefizit.
Für einen Zeitraum von 10 Jahren sollen EU-Staaten ihre Verteidigungsausgaben, die über 2 % des BIP hinausgehen, vom Defizit abziehen können, insoweit es für die Erreichung der Maastricht-Kriterien betrachtet wird. Diese Regelung gilt nur für definierte, materielle Investitionsmaßnahmen in langfristige Verteidigungsprojekte wie beispielsweise der Beschaffung neuer Waffensysteme, der Sicherstellung des technologischen Vorsprungs oder der zielorientierten Forschung und Entwicklung im Bereich der Verteidigung. Ein besonderes Augenmerk soll hierbei auf der Förderung von Technologien, wie z.B. Cyberabwehr, Künstliche Intelligenz und autonomen Waffensystemen liegen, um den Personalmangel zu kompensieren und europäische Streitkräfte zukunftsfähig zu machen. Laufende Betriebskosten, Gehälter, Pensionen für Soldaten und Verwaltungskosten dürfen nicht unter diese Regelung fallen, um sicherzustellen, dass nur langfristig wirksame, strategische Investitionen berücksichtigt werden.
- Die Einhaltung des NATO-Ziels im regulären Bundeshaushalt.
Das NATO-Ziel für die Verteidigungsausgaben sieht für alle Mitgliedstaaten vor, einen festgelegten Anteil ihres Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung bereitzustellen. Um sicherzustellen, dass Deutschland diese Vorgabe dauerhaft und ohne Abweichung einhält, fordern wir eine Selbstverpflichtung, die die Einhaltung des NATO-Ziels im regulären Bundeshaushalt verbindlich festschreibt.
Diese Anpassung bildet eine stabile Grundlage, um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands langfristig zu stärken, unabhängig von politischen oder haushaltspolitischen Veränderungen. Sie stärkt sowohl die Planbarkeit als auch die Verlässlichkeit gegenüber den NATO-Partnern.
- Nukleare Abwehrfähigkeit in Europa stärken!
Zu einer effektiven und glaubwürdigen Verteidigungsfähigkeit gehört auch die Stärkung der europäischen nuklearen Abschreckung. Die unsicher gewordene nukleare Teilhabe der Vereinigten Staaten erfordert neue Initiativen. Dazu gehört auch eine breite Unterstützung Deutschlands seiner europäischen Partner zur Ergänzung der nuklearen Abschreckung. Sowohl durch technische als auch durch finanzielle Unterstützung soll sich Deutschland insbesondere gegenüber seinen Partnern Frankreich und Großbritannien für eine Ergänzung der amerikanischen nuklearen Abschreckung einsetzen. Dies wäre die angemessene Antwort Deutschlands auf die globalen Bedrohungen, denen sich Europa auch kurzfristig ausgesetzt sieht. Wir haben den Vorschlag des französischen Präsidenten Emanuel Macron, den nuklearen Schutz in Europa partnerschaftlich auszubauen, mit Freude zur Kenntnis genommen. Deutschland sollte auf diesen Vorschlag eingehen und unverzüglich in eine deutsch-französische Kooperation eintreten. Die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands müssen dabei selbstverständlich eingehalten werden. Langfristig setzen wir uns für eine europäische nukleare Abwehrfähigkeit in enger Abstimmung mit der NATO ein.
Langfristig setzen wir uns für eine europäische nukleare Abwehrfähigkeit in enger Abstimmung mit der NATO und ESO ein.
- Eine Mehrwertsteuerbefreiung für Rüstungskäufe zwischen EU-Mitgliedstaaten.
Zur Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie und der militärischen Handlungsfähigkeit der EU-/EFTA-Staaten soll der Kauf von Rüstungsgütern durch einen EU-/EFTA-Mitgliedstaat bei einem anderen EU-/EFTA-Mitgliedstaat von der Mehrwertsteuer befreit werden. Diese Maßnahme erhöht die Kaufkraft der Streitkräfte, da bei grenzüberschreitenden Beschaffungen mehr Mittel direkt in die militärische Ausstattung fließen, anstatt in steuerliche Abgaben. Gleichzeitig wird die wirtschaftliche Attraktivität von Beschaffungen innerhalb der EU gesteigert, was die europäische Rüstungsindustrie stärkt und die Abhängigkeit von Drittstaaten verringert. Dies erleichtert den Aufbau gemeinsamer Rüstungsprojekte und fördert die Interoperabilität innerhalb der europäischen Streitkräfte.
The answer is ESO – European Security Organization
Der europäische Teil der NATO kann sich nicht mehr auf die Unterstützung der Vereinigten Staaten verlassen. Das stellt das Sicherheitsversprechen und damit das gesamte Bündnis in Frage. Gleichzeitig kann nicht mehr ausgeschlossen werden, dass Putin die Geschlossenheit der NATO in den nächsten Jahren durch einen kleineren oder großen Einsatz von Truppen prüfen wird. Sollte die USA sich dann nicht an Artikel 5 gebunden fühlen, fiele die gesamte Sicherheitsarchitektur Europas in sich zusammen. Deswegen muss Europa nun schnellstmöglich neue Strukturen aufbauen, die seine Sicherheit garantieren. Der Versuch, die Europäische Union als sicherheitspolitisch relevanten Akteur zu etablieren, ist krachend gescheitert. Zu viele Geburtsfehler in den Strukturen hemmen die EU in ihrer Entscheidungsfindung und sorgen seit Jahren für Ambitionslosigkeit. Die EU zu reformieren, bleibt unser langfristiges Ziel. Allerdings muss Europa spätestens bis zum Ende des Jahrzehnts verteidigungsfähig sein. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir endlich ein Europa der zwei Geschwindigkeiten – auch in der Sicherheitspolitik. Die dafür notwendigen Schritte müssen zunächst außerhalb der EU-Strukturen gegangen werden. Wir fordern daher die Gründung der ESO – also der European Security Organization.
Wir wollen mit der ESO ein Instrument tiefer sicherheitspolitischer Integration in Europa schaffen. Mitglieder der ESO sollen zu Beginn mindestens Deutschland, Frankreich, Polen und Großbritannien sein. Darüber hinaus steht die Mitgliedschaft allen EU-Staaten und allen europäischen NATO-Staaten wie der Türkei offen. Selbiges gilt für die Ukraine, sobald ein Frieden mit Russland eingetreten ist. Ziel der ESO ist die Institutionalisierung des europäischen Pfeilers in der NATO, der notfalls auch ohne die USA vollumfänglich handlungs- und verteidigungsfähig ist.
Die ESO soll, ebenso wie die NATO durch ihren Artikel 5, ein gegenseitiges Einstehen im Verteidigungsfall garantieren. Dieses kommt zum Zuge, sollte eine Einigung im Nordatlantikrat nicht möglich sein. Außerdem soll sie tiefere koordinierende Aufgaben zur Förderung der europäischen Verteidigungsfähigkeit übernehmen. Dies gilt insbesondere für die Vergabe von Rüstungsprojekten, um hier zu einer einheitlichen europäischen Strategie zu gelangen. Das neue Bündnis soll nicht wie die EU durch eine vorgegebene Einstimmigkeit bei Entscheidungen gehemmt werden. Der Regelfall muss einfache oder qualifizierte Mehrheiten sein, an die sich die Mitgliedstaaten binden. Hiervon soll es nur seltene Ausnahmen geben, wie z.B. bei der Aufnahme von neuen Mitgliedern.
Außerdem sollen in diesem Rahmen permanente militärische Strukturen entstehen, wie es sie bisher in der EU nicht gibt. Das beinhaltet einen gemeinsamen Oberbefehlshaber und ein permanentes Hauptquartier. Sollte ein NATO-Bündnisfall mit amerikanischer Beteiligung eintreten, tritt der ESO-Oberbefehl über die ihm unterstellten Truppen hinter dem Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) der NATO zurück.
Außerdem soll eine schnelle und schlagkräftige Eingreiftruppe „EUROLEGION“ unter dem ESO-Oberbefehl entstehen. Die EUROLEGION wird dabei aus militärischen Fähigkeiten bestehen, welche die Mitgliedstaaten dauerhaft der ESO unterstellen. Zum weiteren Ausbau halten wir die schrittweise Überführung nationaler Fähigkeiten in die Strukturen der EUROLEGION für sinnvoll. Langfristig soll sie auch selbstständig aus den Bürgern der ESO-Staaten rekrutieren. Die Parlamentarische Kontrolle über die EUROLEGION wird durch einen gemeinsamen Ausschuss aus Vertretern der Parlamente aller Mitgliedstaaten gewährleistet, der ebenfalls mit qualifizierter Mehrheit über ihren Einsatz bestimmt. Bei der weiteren Entwicklung der EUROLEGION soll zunächst der Fokus auf Fähigkeiten liegen, bei denen die ESO-Staaten bisher auf die USA angewiesen sind, wie Aufklärung und Lufttransport. Langfristig streben wir die Integration der Atomwaffen von Frankreich und dem Vereinigten Königreich in die Strukturen der ESO an.
Mit einem gemeinsamen starken Bündnis, das von keinem wesentlichen Mitglied in Frage gestellt wird, können die Europäer ihre Sicherheit wieder signifikant stärken. Sollte die EU sich ihrerseits sicherheitspolitisch reformieren, könnte das Bündnis mittelfristig auch in der EU aufgehen.