Aufbruch in eine liberale Informationsgesellschaft

Die Ausgangslage

Nach Agrar-, und Industriezeitalter hat auf dem Weg zur Jahrtausendwende die
Informationsgesellschaft begonnen.
Informationstechnologien werden in sämtlichen Wirtschaft- und Lebensbereichen der
modernen Gesellschaft zur vorrangigen Bestimmungsgröße des 21. Jahrhunderts.
Gewinner werden jene Gesellschaften sein, die im Bereich der Telekommunikation
eine klare Strategie  und Politik verfolgen, indem sie Gesetze schaffen, die einen
breiten Zugang zu bestmöglicher Information ermöglichen und die Voraussetzungen
für einen verantwortlichen Umgang mit diesen Informationen schaffen.

Die politische Herausforderung

Die Jungen Liberalen wollen die Chancen, die sich aus dieser Entwicklung ergeben,
für unsere Gesellschaft nutzen und damit  die Debatte über die Zukunftsfähigkeit
unseres Landes führen. Mit der Realisierung der Informationsgesellschaft werden
gravierende gesellschaftliche Veränderungen einhergehen.
Die Bewältigung dieser Herausforderung setzt einen rechtlichen Gestaltungsrahmen
voraus. Dabei müssen Fragen hinsichtlich Privatsphäre, Datenschutz und
Datensicherheit sowie der rechtlichen Einordnung neuer Informationsangebote
politisch beantwortet werden.

Die neuen Technologien schaffen in vielen Bereichen eine neue Basis für eine an der
Freiheit des Individuums orientierten Welt. Viele zeitliche,  räumliche und soziale
Barrieren können durch sie  aufgehoben werden. Diese Entwicklung muß der
Liberalismus begleiten und lenken; hierzu  ist eine breite Diskussion über die
Chancen und Risiken der neuen Technologien notwendig. Das Internet ist dabei
aufgrund seiner Möglichkeiten zur freien Meinungsäußerung, seiner Dezentralität und
seiner Vielfalt die elektronische Verkörperung des Liberalismus.
B. Herausforderungen
Die Chancen der Informationsgesellschaft für eine freiheitlichere Weltordnung
werden verspielt, wenn ihre Risiken nicht vermieden oder zumindest reduziert, wenn
ihre Herausforderungen nicht gestalterisch bewältigt werden können.

Deshalb fordern wir die Gestaltung  eines liberalen Ordnungsrahmens von
Information und Kommunikation, der

• an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientiert ist und den Mißbrauch der
Kommunikationsmittel verhindert,
• den kompetenten Umgang des einzelnen mit Information fördert,
• das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sichert,
• den Wettbewerb fördert und
• die Grundversorgung mit Informationen sicherstellt.

Nur dann kann es zu einem liberalen Aufbruch zur Informationsgesellschaft kommen.

C. Der liberale Weg

1. Mißbrauch der Informationstechnologien verhindern
Der einfache Zugang zu den neuen Technologien erleichtert auch den Mißbrauch.
Informationen kennen keine Grenzen. Deshalb sind internationale rechtliche
Standards notwendig, die den freien Austausch von Informationen gewährleisten und
den einzelnen vor Mißbrauch schützen. Deshalb fordern die Jungen Liberalen:

(i) Einheitliche internationale rechtliche Regelungen sind anzustreben.
(ii) Die rechtliche Verantwortung für den Inhalt von elektronisch angebotenen Daten
soll beim Autor liegen, nicht beim Netzbetreiber oder Empfänger. Dieser soll
zwar die Verpflichtung erhalten, ihm bekannte Verstöße gegen   16
Strafrechtsnormen anzuzeigen. Diese Sorgfaltspflicht beinhaltet aber keine
Verpflichtung, alle Dateien und Nachrichten auf solche Inhalte zu überprüfen.
(iii) Die Entwicklung, Herstellung und Einspeisung von menschenverachtenden,
diskriminierenden Informationen muß weltweit strafbar sein.
(iv) Da Informationen mit geringem Aufwand kopiert werden können, ist ein
weltweites Urheberrecht anzustreben. Die Verträge zur WTO (World – Trade –
Organisation) sind entsprechend zu erweitern.
(v) In Deutschland soll entsprechend der Verwertungsgesellschaft VG-Wort eine
VG-Byte eingerichtet werden, bei der Autoren Ansprüche anmelden können,
deren Informationen elektronisch weiterverarbeitet worden sind. So wie heute
von jedem Kopiervorgang Gebühren an  die VG-Wort fließen, müssen die
Netzbetreiber Gebühren an die VG-Byte entrichten.
(vi) Aus Gründen staatlicher Sicherheit, der Sicherheit wirtschaftlicher Güter und
presserechtlicher Erfordernisse ist eine Minimalkennzeichnung der im Netz
transportierten Information  notwendig. Alle Daten, die in Netzen transportiert
werden, müssen eine Absenderkennung tragen.

2. Den kompetenten Umgang des einzelnen mit Information fördern
Die Flut an Informationen führt zu einer immer größeren Diskrepanz zwischen
Information und Wissen. Die bewußte  Selektion und kritische Prüfung von
Informationen muß daher möglichst früh  erlernt werden. Informations- und
Kommunikationstechnologien müssen stärker Eingang in unser Bildungssystem
finden:

(i) Die Informationsgesellschaft benötigt  deshalb eine lebenslange Aus- und
Weiterbildung. Der Grundstein für Medienkompetenz muß bereits im
Kindergarten gelegt werden.
(ii) Bildungsmedien und interaktive  Lernprogramme müssen an Schulen und
Hochschulen ausreichend zur Verfügung stehen.
(iii) Das Fach Medienkunde ist flächendeckend einzuführen und auf die Aspekte der
Informationsverarbeitung auszudehnen.

3. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sichern
Die neuen Technologien erleichtern den Zugriff auf und das Zusammenführen von
Informationen. Dadurch vergrößern sie die Gefahr des „Gläsernen Bürgers“. Deshalb
fordern die Jungen Liberalen, die Anforderungen an den Datenschutz modernen
Erfordernissen anzupassen und auch international durchzusetzen.
Ziel ist die alleinige Verfügung des einzelnen über die seine Person betreffenden
Daten. Konkret fordern wir:

(i) Auskunfts- und Einwilligungsrechte des Bürgers und der Schutz der Privatsphäre
als elementarer Verfassungsbestandteil müssen weiter gestärkt werden.
(ii) Datenschutz muß dabei möglichst präventiv bei der Systemkonzeption bedacht
werden.
(iii) Nur moderne Verschlüsselungstechniken ermöglichen die Übermittlung von
privaten Informationen ohne Einblickmöglichkeit durch den Netzbetreiber oder
Dritte. Jegliche Einschränkung des Rechts auf die Nutzung dieser Verfahren ist
daher abzulehnen.
(iv) Nutzerdaten in Netzen sollen so wenig wie möglich personenbezogen sein. Auch
die anonyme Netzbeteiligung muß grundsätzlich zulässig sein, wenn der
Realname des Anbieters beim Netzbetreiber oder einer Referenzadresse   17
hinterlegt wird. Referenzadressen müssen dabei die presserechtliche und
finanzielle Verantwortung für die von ihnen geführten Pseudonyme übernehmen.
(v) Elektronisch übermittelte persönliche Nachrichten (e – mails) sind rechtlich der
Briefpost gleichzustellen, d.h. es gilt entsprechend Art. 10 GG das e-mail-
Geheimnis.
(vi) Erweiterung der Aufgaben des bisherigen Datenschutzbeauftragten zu einem
Informationsbeauftragten.

4. Den Wettbewerb fördern
Allen Bürgern, die sich an der Informationsgesellschaft beteiligen wollen, soll der
Zugriff durch möglichst geringe Kosten und ein bestmögliches Angebot so leicht wie
möglich gemacht werden. Dies kann am besten durch den freien Markt und private
Telekommunikationsanbieter erreicht werden. Deshalb fordern die Jungen Liberalen:

(i) Die Schaffung von Heimarbeitsplätzen darf nicht durch starre
Tarifvertragsregelungen behindert werden. Die Tarifverträge müssen die
sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen, die mit dieser Entwicklung
einhergehen, wiederspiegeln.
(ii) Die weltweiten Entwicklungen auf den Informations- und
Kommunikationsmärkten dürfen nicht durch „Informations- und
Kommunikationsschwierigkeiten“ sechzehn unterschiedlicher Bundesländer
gebremst werden. Die Kompetenzen für die Zulassung und
Konzentrationskontrolle im Bereich der  Medienpolitik, sowie die rechtlichen
Fragen der Informations- und Kommunikationsgesellschaft sind an den Bund zu
übertragen.
(iii) Spätestens bis zum 01.07.1996 müssen die Lizenzierungsbedingungen für
private Wettbewerber der Telekom feststehen. Das Netzmonopol der DBP
Telekom ist bereits zum 31.12.96 aufzuheben. Zumindest aber sind
Einzelprojekte privater Netzbetreiber zu genehmigen. Für die Nutzung von
Netzen sollten Sonderkonditionen eingeführt werden, um Wettbewerbsnachteile,
insbesondere im Vergleich zu den USA, auszugleichen. Davon getrennt ist eine
Privatisierung des Kabelfernsehnetzes  der Telekom voranzutreiben. Am Ende
dieser Entwicklung muß eine vollständige Liberalisierung des Telekomsektors
erreicht sein.
(iv) Im Mobilfunk- und Bündelfunkbereich muß es den Telekomwettbewerbern
ermöglicht werden, auf eigene Leitungsstellen bzw. Vermittlungsstellen
zurückzugreifen.
(v) Die vorhandenen Netze der Energieversorger, der Deutschen Bahn und anderer
Unternehmen sollten umgehend für Telekommunikationswege freigegeben
werden. Zu Beginn der Lizenzvergabe werden neue, insbesondere
mittelständische Wettbewerber bevorzugt. Die Vergabe muß asymmetrisch
erfolgen, d.h. neue Anbieter müssen von einigen Auflagen befreit werden, nach
denen sich der bisherige Monopolist richten muß. Ein Universaldienst muß
gewährleistet werden, aber er darf keine Marktzutrittsschranke für neue
Unternehmen bilden.
(vi) Feldversuche im Bereich Multi-Media-Dienste müssen durch unbürokratische
Vergabe von Lizenzen unterstützt werden, möglichst auf europäischer Ebene.
Den Betreibern muß es gestattet werden, ihre eigene Infrastruktur aufzubauen
und zu nutzen.
(vii) Das Bundespostministerium ist unverzüglich aufzulösen. Alle
Regulierungsaufgaben werden dem Bundeskartellamt übertragen, das zur   18
Erfüllung der notwendigen Aufgaben erweitert wird. Hierzu gehören die Vergabe
von Lizenzen, die sektorspezifische Verhaltens- und Mißbrauchskontrolle, sowie
die ohnehin in ihr  Aufgabengebiet fallende Konzentrationskontrolle. Forschung
und Modellvorhaben werden dem Zukunftsministerium zugeordnet.
(viii) Entstaatlichung und Deregulierung stellen die beste Forschungsförderung dar,
diese ist auf den Bereich von Querschnittstechnologien zu beschränken und
entsprechend den wirtschaftlichen Notwendigkeiten auszudehnen.
(ix) Weitere Liberalisierungsschritte z.B. die Erleichterung neuer multimedialer
Dienstleistungsangebote sind durchzuführen.

Öffentliche Monopole dürfen nicht durch private Monopole abgelöst werden: Wir
fordern deshalb eine Überprüfung des  Wettbewerbsrechts, insbesondere um
Meinungsmonopole zu verhindern:

(i) Interaktive elektronische Dienste (z.B. Teleshopping, On-Demand-Dienste und
interaktive Dienste) sollen rechtlich nicht mehr unter den Rundfunkbegriff fallen.
Sie sind rechtlich ähnlich wie Printmedien zu behandeln, unterliegen also zum
Beispiel unter dem Kartellrecht.  Dienste, die eine Mischform zwischen
Individualkommunikation und Kollektivkommunikation darstellen (z.B. Near Video
On Demand, Pay per View), sind in  jedem Fall weniger strengen Regelungen zu
unterwerfen.
(ii) Einer Bildung vertikaler Kartelle muß durch  eine strikte Trennung von
Informationsanbietern und Netzbetreibern vorgebeugt werden.

5. Die Grundversorgung mit Informationen sicherstellen
Information ist wie Luft, Wasser und Boden ein Gut, welches unter
dem Schutz staatlicher Ordnung zu stehen hat. Ein freier Zugang zu Information ist
ein Bürgerrecht. Deshalb setzen sich Liberale heute entschlossen für den offenen
Zugang zu Information ein – wie sie sich früher für den offenen Zugang zu Bildungs-
einrichtungen eingesetzt  haben. Eine Zweiklassengesellschaft darf durch die
Informationsgesellschaft nicht entstehen. Unsere Vision sieht vor:

(i) Niemand darf aus politischen, religiösen oder sozialen Gründen vom Zugang zu
einem öffentlichen Netz ausgeschlossen werden.
(ii) Das Internet ist als erstes funktionierendes globales Dorf unter den besonderen
Schutz der UNO zu stellen.
(iii) Multinationale Netze müssen frei, d.h. grundsätzlich jedem zugänglich sein und
sich von Netz zu Netz gegenseitig Gastzugänge einräumen.
(iv) Die Filterung von Informationen aus weltanschaulichen, religiösen oder
politischen Motiven ist Netzbetreibern verboten.
(v) Über eine nationale Stiftung „Information“ sind öffentliche  Bibliotheken und
Schulen verbilligt an öffentliche Netze anzuschließen. An dieser Stiftung sind die
Netzbetreiber finanziell zu beteiligen.
(vi) Eine über den bestehenden öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinausgehende
öffentlich-rechtliche Selektion der Information ist nicht erforderlich.

6. Als Staat ein Zeichen setzen
Um die Entwicklung der Informationsgesellschaft voranzutreiben, muß der Staat
selbst mit gutem Beispiel vorangehen:
19
(i) Bundes- und Landesregierungen sowie kommunale Gliederungen sollten
öffentliche Informationen (Gesetze, Raumplanungen, Regierungserklärungen,
Bundestagsprotokolle usw.) elektronisch zugänglich machen.
(ii) In den öffentlichen Verwaltungen sollten Pilotvorhaben  für Telearbeit initiiert
werden.
(iii) Öffentliche Ausschreibungen sollten zusätzlich elektronisch publiziert werden,
Angebote auch on – line einreichbar sein.
(iv) Bürger sollten schon im Jahr  1997 Steuererklärungen  über moderne Medien
einreichen können.
D. Der Ausblick

Wie die Informationsgesellschaft in Zukunft unser Leben, die Umwelt und die
Wirtschaft beeinflußen wird, hängt letztlich davon ab, welche politischen
Gestaltungsentscheidungen in der Gegenwart getroffen werden. Rot/grüne
Fortschrittsfeindlichkeit kann den zukünftigen Anforderungen dabei nicht gerecht
werden. Die digitale Revolution ist keine ferne Vision. Die Informationsgesellschaft
kommt. Nichts wird mehr sein, wie es war. Die Jungen Liberalen stellen sich der
politischen Debatte über die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und fordern auch von
der F.D.P. eine stärkere politische Besetzung dieses Zukunftsfeldes.