Wir Junge Liberale NRW legen auf das Thema „Beste Bildung“ einen enormen Fokus. Uns
ist dabei in besonderem Maße bewusst, dass der Bildungserfolg maßgeblich in den
Händen von motivierten und gut qualifizierten Lehrkräften liegt, die es schaffen,
mit ihrem Engagement das Fundament für ein selbstbestimmtes Leben zu legen.
Strukturelle Probleme auf Systemebene lassen ein solches Engagement aktuell leider
häufig nicht zu. Alarmierende Zahlen über Dienstunfähigkeit und vorgezogenem
Ruhestand machen deutlich, dass der Beruf in besonderer Weise mit
Belastungen verbunden ist.
Dieser Zustand ist in vielfacher Hinsicht beunruhigend und problematisch, da durch
die hohe zeitliche Belastung die physische und psychische Gesundheit von Lehrerinnen
und Lehrer gefährdet wird, die Qualität des schulischen Lehrens und Lernens
beeinträchtigt wird und die Attraktivität des Berufes für zukünftige Generationen
sinkt. Besonders in Zeiten des steigenden Lehrermangels sind Maßnahmen zur
Verbesserung der Belastungssituation von Lehrkräften von hoher Relevanz. Hier steht
insbesondere das Land als Dienstherr in der Verpflichtung, etwas an den
Rahmenbedingungen zu ändern und mutige Reformen auf den Weg zu bringen, sodass wir
die drohende Bildungskatastrophe vermeiden und der Lehrerberuf endlich
wieder attraktiver wird.
Reform der Lehrerarbeitszeit
Belastungen treten insbesondere in Bezug auf die Wochenarbeitszeit auf. Denn abseits
der festgeschriebenen wöchentlichen Unterrichtspflichtstunden ist die Arbeitszeit der
Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen für die zahlreichen übrigen
Aufgaben nicht gesetzlich geregelt. Eine Untersuchung des Philologen-Verbandes ergab,
dass insbesondere die Anzahl an Korrekturen, Konferenzen und Unwägbarkeiten zum
Beispiel durch Vertretungsunterricht ein überdurchschnittlich hohes Maß an zeitlichen
Ressourcen in Anspruch nehmen. Die Grenzenlosigkeit der Aufgaben, also die Tatsache,
dass es immer ein Mehr an Vorbereitung oder Förderung gibt, führt daher dazu, dass
die wöchentliche Arbeitszeit oft weitaus höher ist als in vergleichbaren Berufen des
öffentlichen Dienstes. Laut einer Belastungsstudie der Georg-August-Universität
Göttingen fühlen sich 92% aller Lehrkräfte durch Zeitdruck bei der Arbeit belastet.
Diese Befunde unterscheiden sich jedoch je nach Fächerkombination erheblich.
Lehrerinnen und Lehrer, die zwei Hauptfächer unterrichten, respektive deutlich mehr
korrigieren müssen, geben häufiger an belastet zu sein und weisen eine wesentlich
höhere Arbeitszeit auf als ihre Kolleginnen und Kollegen mit Nebenfächern.
Trotz steigender Aufgaben, etwa durch zusätzliche Verwaltungsaufgaben, wurde das
Stundendeputat zuletzt 2004 geändert, indem es sogar um eine Stunde erhöht wurde.
Obwohl schon damals Studien publik wurden, die auf steigende zeitliche Belastungen im
Lehereberuf hingewiesen haben, hat es seitdem keine nennenswerten Versuche
hinsichtlich einer Neuregelung der Lehrerarbeitszeit gegeben. Dieser Zustand ist
nicht länger hinnehmbar. Es bedarf dringend einer Regelung, welche objektive
Kriterien zur Bestimmung der Arbeitszeit festlegt, die auch außerunterrichtliche
Tätigkeiten stärker miteinbezieht und welche die Lehrpersonen insgesamt, aber
Hauptfachlehrerinnen und -lehrer im Besonderen, zeitlich entlastet.
Die Jungen Liberalen NRW fordern daher die Reform des bestehenden Deputatsmodells der
Lehrerarbeitszeit. Dabei sollen neben der eigentlichen Unterrichtszeit auch deren Vor- und Nachbereitung
(von der Korrektur einer Prüfung bis zur Vorbereitung von Experimenten), die Tätigkeiten als
Klassenleitung, Gremiensitzungen und weitere außercurriculare Tätigkeiten (wie AG-Leitungen) sowie
sozioökonomische Faktoren der Klassenzusammensetzung besser berücksichtigt werden. Gleichzeitig
muss ein solches Modell in der Praxis vor Ort unbürokratisch anwendbar sein und darf die Auswirkungen
des Lehrermangels nicht verschärfen.
Eröffnung von Freiräumen
Ein weiterer Belastungsbereich ist die zunehmende Masse an gesetzlichen Vorgaben und
schulpolitischen Änderungen. Dabei geht es einerseits um ein Zuviel an
Reglementierung und äußeren Eingriffen, welche die eigene pädagogische Zielsetzung
und das selbstbestimmte professionelle Arbeiten erschweren und andererseits um die
Fülle größerer und kleinerer schulpolitischer Reformen, welche zu immer komplexeren
und schwierigeren Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer führen, etwa die
Entwicklung hin zur Outputorientierung, die Einführung der Ganztagsbetreuung als auch
der Wechsel zum achtjährigen Abitur (G8) und wieder zurück zum neunjährigen Abitur
(G9). Hinzu kommen dynamische gesellschaftliche Anforderungen, die mehr Diversität,
Inklusion, Chancengerechtigkeit, Durchlässigkeit, Sprachförderung und aktuell auch
Digitalisierung im Schulalltag bewältigt sehen wollen. Auch wenn viele dieser
Regelungen vor dem Hintergrund der Transparenz, Chancengerechtigkeit und
Zukunftsorientierung sinnvoll sind, sollte darauf geachtet werden, Lehrerinnen und
Lehrern so viel Freiraum wie möglich zu geben, damit sie sich auf ihre
pädagogischen Kernkompetenzen fokussieren können.
Die Jungen Liberalen NRW fordern deshalb, dass jede bestehende und neu einzuführende
Regelung auf ihre Notwendigkeit, ihren Mehrwert und ihre Umsetzbarkeit geprüft werden
soll und diese gegebenenfalls wieder abgeschafft werden, beziehungsweise nicht
eingeführt werden sollen.
Zudem sollen Lehrerinnen und Lehrer durch zusätzliches Schulverwaltungspersonal und
multiprofessionelle Teams unterstützt werden. Dafür muss den Schulen mehr
Flexibilität gewährleistet werden, denn sie wissen am ehesten, ob und wo sie Bedarf
an zusätzlichem Personal haben. Die Jungen Liberalen NRW fordern daher die
Ausstattung der Schulen mit einem eigenen Budget, um vor Ort eigene Lösungen zu
entwickeln. Damit einhergehend sollen staatliche Schulen die Freiheit erhalten,
eigenes Personal anzustellen und dabei auch die Möglichkeit haben, Ehrenamtliche und
Vereine systematisch miteinzubeziehen. Die Ressourcenverteilung soll an
Sozialindex und Schulgröße gekoppelt sein.