Einfach einen an der Klatsche? – psychische Erkrankungen und ihre Therapie. Ein kurzer Überblick.

Ca 30% der Erwachsenen in Deutschland leiden an einer psychischen Erkrankung, ganz vorne mit dabei sind Angsterkrankungen, Depressionen und Suchterkrankungen. Obwohl kaum jemand darüber spricht, stehen die psychischen Erkrankungen also den klassischen Volkskrankheiten wie etwa Bluthochdruck oder Übergewicht nicht nach. Therapie und Behandlung gestalten sich jedoch häufig deutlich schwieriger. Reicht die regelmäßige Betreuung durch den eigenen Hausarzt nicht aus, suchen viele Patienten Rat in der Sprechstunde eines Psychotherapeuten. Durch den hohen Bedarf und der vergleichsweise zeitaufwändigen Therapie sind die Kapazitäten hier jedoch stark begrenzt: auf ein Erstgespräch warten Patienten aus Nordrhein-Westfahlen im Durchschnitt 13,8 Wochen – grade, wenn Symptome der Krankheit im Alltag stark einschränken und die Patienten unter hohem Leidensdruck stehen häufig eine sehr belastende Erfahrung.

Was passiert in der Psychotherapie?

Therapie ist nicht gleich Therapie – es gibt vier verschiedene, wissenschaftlich anerkannte Verfahren nach denen sich eine Therapie richten kann. Gemeinsam ist allen, dass sie sich zum Großteil auf Gespräche zwischen Therapeut und Patient stützen.

  • Verhaltenstherapie

Grundannahme der Verhaltenstherapie ist, dass das aktuelle Leiden des Patienten sich in Verhaltensmustern begründet, welche im Laufe des Lebens erlernt wurden. Diese können jedoch geändert werden – hier geht es oft vordergründig um Strategien, wie mit der aktuellen Situation umgegangen werden kann. Dabei werden Denkmuster durchbrochen und neue erlernt.

 

  • Analytische Psychotherapie

Nein, die Patienten liegen nicht alle auf der Liege und fantasieren über Sex mit ihren Eltern – und die Therapeuten schlafen auch nicht (zwingend) auf Koks mit ihren Patientinnen, wie böse Zungen gerne dem Begründer dieser Therapieform, Sigmund Freud nachsagen. Die analytische Psychotherapie erklärt aktuelles Leiden mit unbewältigten Konflikten, traumatischen Erinnerungen oder nicht bewältigten Entwicklungsschritten aus der Kindheit. Diese zu finden, ins Bewusstsein zu holen und so zu bewältigen steht im Zentrum der Therapie.

 

  • Tiefenpsycholgisch fundierte Psychotherapie:

Während hier der gleiche, theoretische Ansatz wie bei der analytischen Psychotherapie verfolgt wird, steht statt einer sehr umfassenden, allgemeinen Besserung des Patienten eher die Lösung der konkreten, aktuellen Probleme im Vordergrund.

 

  • Systemische Psychotherapie

Ist eigentlich ein Sammelbegriff für mehrere Therapieformen. Entscheidend ist hier, dass nicht der einzelne Patient sondern ebenso sein Umfeld im Fokus der Behandlung steht. Die Ursache für das aktuelle Leiden wird in der Systemischen Therapie in gestörten Kommunikations- und Beziehungsmustern mit den sozialen Kontakten vermutet. So kann es gut sein, dass die gesamte Familienkonstellation Gegenstand der Behandlung wird.

 

Und wenn das nicht reicht?

Zusätzlich zu den oben erläuterten, psychotherapeutischen Angeboten können Patienten sich auch in psychiatrische Behandlung begeben. Psychiater sind studierte Mediziner mit einem Facharzt, der sie sowohl zu psychotherapeutischer als auch psychiatrischer Behandlung befähigt, während Psychotherapeuten Psychologie studiert und sich einer anschließenden, mehrjährigen Ausbildung unterzogen haben. Damit darf allein der Psychiater eine medikamentöse Therapie anordnen.

Wie in anderen Fachrichtungen auch, ist die psychiatrische Behandlung sowohl ambulant als auch stationär möglich.

 

Psychiatrie – Zwangsjacke und weg?

Entgegen weitverbreiteter Klischees geschehen die meisten Einweisungen in eine psychiatrische Klinik nicht unter Zwang, sondern auf freiwilliger Basis. Als Unterbringung sind sowohl „offene“ als auch „geschlossene“ Stationen möglich. Bei ersteren genießen die Patienten, wie der Name bereits vermuten lässt, ein weit höheres Maß an Freiheit und Eigenverantwortung. Geschlossene Stationen sind strenger kontrolliert – Ein und Ausgänge lassen sich in der Regel nur mit den Schlüsseln des Personals öffnen. Die Art der Unterbringung bestimmt der behandelnde Arzt – oder ein Gericht – in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung.

 

Die fürsorgerische Unterbringung – Einweisung wider Willen

Für die umgangssprachliche Zwangseinweisung, also die Einweisung in eine Psychiatrie entgegen dem ausdrücklichen Patientenwillen ist ein ärztlicher Befund nötig, der eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung feststellt. Diesen Befund stellt ein Arzt mit entsprechender Erfahrung im Umgang mit psychisch kranken Patienten – also Psychiater oder Hausärzte mit entsprechendem Schwerpunkt statt Urologen oder Kardiologen. Anwendung findet dies beispielsweise bei unmittelbar angedrohtem Suizid oder lebensbedrohlicher Selbstverletzung. Auch, wenn für die körperliche Unversehrtheit anderer Personen eine akute Gefahr besteht, kann der Patient eingewiesen werden. Veranlassen tut diese Unterbringung dann das Ordnungsamt durch einen Antrag beim Amts- oder Betreuungsgericht.

 

Krank im Kopf – gesellschaftliche Stigmatisierung

Eine große Hürde bei der Behandlung psychischer Erkrankungen ist die Stigmatisierung, der Patienten sowohl im privaten als auch im öffentlichen Rahmen immer wieder ausgesetzt sind. Schnell werden generelle Urteilskraft, Zurechnungsfähigkeit und Mündigkeit abgesprochen oder relativiert, das Umfeld geht auf Distanz. In einer Studie der Universitätsmedizin Greifswald gaben beispielsweise 31% der Befragten an, nicht mit einem Kollegen arbeiten zu wollen, der an Schizophrenie erkrankt sei. 53% lehnten eine Freundschaft ab. Mit der gesellschaftlichen geht oft auch eine Selbststigmatisierung der Patienten einher. Dabei übernehmen die Betroffenen gesellschaftliche Vorurteile, interpretieren die eigene Antriebslosigkeit als fehlende Leistungsbereitschaft oder Willenskraft und suchen die Schuld für ihre Erkrankung bei sich selbst. In jeder Form wirkt sich eine Stigmatisierung ungünstig auf Therapiechancen und Heilungserfolg aus – die Angst vor Zurückweisung und Vorverurteilten hindert Betroffene oftmals nicht nur daran, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen sondern senkt auch insgesamt die Chancen auf einen, für den Patienten günstigen Krankheitsverlauf.