„Let Europe arise!“ – Europawahlprogramm 2009

Let Europe arise! –

Lassen wir Europa entstehen!

– Europawahlprogramm 2009 –

1 Präambel

Die Jungen Liberalen wollen, dass ganz Europa ein Land wird. Als überzeugte Europäer streben wir langfristig einen föderalen europäischen Bundesstaat an. Nur geeint kann Europa die Herausforderungen der Zukunft bewältigen, nur durch Überwindung der aktuell vorherrschenden Kleinstaaterei werden wir auch zukünftig Gewicht in der Welt haben.

Von der in der Antike stattfindenden Entwicklung der Begrifflichkeit in Abgrenzung zu Asien, über die Ideen Immanuel Kants bis zur Gründung der gemäß den Vorstellungen Monets und Schumans nach Ende des 2. Weltkriegs: Die Idee der Europäischen Einigung hat sich mehr und mehr durchgesetzt. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten wurden durch die Schaffung der Europäischen Union und ihre kontinuierliche Erweiterung und Vertiefung rasante Fortschritte zum Wohle aller Europäer erzielt.

Gleichzeitig steht die Europäische Einigung heute vor der größten Herausforderung, die sie je zu bewältigen hatte: Europa, so hat man den Eindruck, ist seiner selbst müde geworden. Politik denkt, handelt und wirkt vor allem im nationalen Rahmen. Medien berichten über die EU bestenfalls in der Rubrik Außenpolitik, zumindest sofern es nicht Skandale oder Verfehlungen zu berichten gibt. Bürger schließlich wissen nicht wie die Union funktioniert, interessieren sich nicht für diese und lehnen in nationalen Referenden deren vertragliche Weiterentwicklung ab. Währenddessen treiben ihre nationalen Regierungen die Erweiterung der Europäischen Union immer weiter voran, ohne dass dahinter ein Plan oder gar eine Vision erkennbar wäre. Mit der Erweiterung auf 27 Mitglieder ist der derzeit gültige Vertrag von Nizza ausgeschöpft. Schon jetzt erweist er sich in vielen Punkten als unzureichend und die Handlungsfähigkeit der EU beschränkend, ja geradezu lähmend. Vor allem aber sieht er in der Gestaltung der Institutionen einfach nicht mehr als 27 Mitgliedsstaaten vor war er doch von Anfang an als Übergangsvertrag gedacht, der von einem grundlegenderen Reformvertrag abgelöst werden sollte.

Doch auch und gerade jenseits aller juristischen Übereinkünfte kämpft Europa mit einem viel grundlegenderen Problem: Dem Fehlen einer eigenen Identität. In der Vergangenheit war die europäische Integration immer ein Projekt der politischen Eliten. Die Masse der Bevölkerung hat man dabei schulterzuckend links liegen gelassen. Nun ist diese Strategie deutlich gescheitert: Die vorläufige Ablehnung einer Weiterentwicklung der Verträge war, neben vielem anderem, auch eine Volksabstimmung gegen ein sich anscheinend verselbständigtes Gebilde Europäische Union, das nur auf Staaten hört, nicht auf Bürger. Viele Menschen bekommen noch nicht einmal die jüngst beigetretenen Mitgliedsstaaten aufgezählt, da wird über denkbare weitere Beitritte diskutiert. Ständig hört er von Bürokratie und Bevormundung seitens der EU echte Kenntnis von oder Einfluss auf die Politik in Brüssel und Straßburg hat er jedoch nicht. Er kann zwar bei der Europawahl seine Stimme abgeben, jedoch nur im nationalen Rahmen und außerdem hört er danach nie wieder etwas von seiner gewählten Fraktion. Die großen nationalen Medien leisten bestenfalls Randberichterstattung aus dem Parlament. Die wirkliche Macht liegt schließlich in Form des Ministerrates und des Europäischen Rats voll und ganz bei den nationalen Regierungen. Diese kungeln – vielfach immer noch hinter verschlossenen Türen – die Zukunft der Union untereinander aus.

Eine Identifikation mit der Union ist jedoch zwingende Voraussetzung für ein langfristiges Überleben derselben. Wie aber kann man sich mit einem Europa identifizieren, dessen Führung willkürlich erscheint, das sich über seine eigene Zukunft im Unklaren und zudem in sich selbst zersplittert ist? Denn es gibt viele verschiedene Integrations-Ebenen, die aber oftmals nicht deckungsgleich sind. Viele EU-Länder gehören dem Schengen-Verbund an, aber nicht alle. Dafür gehört etwa Norwegen dazu, obwohl es kein EU-Staat ist, gleiches gilt für die Schweiz. Oder die Währungsunion: ‚Euroland‘ ist eben zumindest für die nähere Zukunft nicht deckungsgleich mit der EU. Eine noch stärkere Divergenz gibt es etwa bei der Zusammenarbeit in der Strafverfolgung oder dem gegenseitigen Beistand im Verteidigungsfall. Eine echte Integration, wenn nicht einmal alle beteiligten Staaten bereit sind, sich gegenseitig gegen Angriffe zu verteidigen? Kaum vorstellbar. Der Wahlspruch der EU lautet In varietate concordia – In Vielfalt geeint . Vielfalt haben wir derzeit. Geeint sind wir nicht. Daher lehnen die Jungen Liberalen Konzepte wie ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten oder Kerneuropa ab.

Europa steht daher am Scheideweg. Entweder, es bleibt im wesentlichen lediglich eine Freihandelszone, verpasst notwendige Reformen, einigt sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und erweitert sich stattdessen sehr schnell, etwa auch auf Länder außerhalb Europas. Dann reichen schwache Institutionen und die Führung der einzelnen Mitgliedsstaaten. Eine Art Hanse des 21. Jahrhunderts würde entstehen und wohl auch irgendwann wieder auseinander brechen.

Oder Europa besinnt sich darauf, dass es mehr ist, als ein bloßer Zweckverbund. Dass das langfristige Ziel der Europäischen Einigung immer schon auch politische Integration war. Dann muss Europa in der nächsten Zukunft vor allem auf eine Vertiefung der Union bauen. Die Gräben, die zwischen der Union und ihren Bürgern stehen, müssen zugeschüttet werden.

2 Reformen für eine starke und schlanke Union

Die EU muss durch eine Reform der Institutionen handlungsfähig gemacht werden. Wichtiger noch: Der Bürger muss echten Einfluss auf die Europapolitik bekommen. Das geht nur mit einem starken Parlament mit weitreichenden Befugnissen. Zudem muss klar ersichtlich sein, wer für welche Politik die Verantwortung trägt.

Vielfach wurde bedauert, der EU-Reformvertrag von Lissabon welcher den Vertrag von Nizza ablösen soll – sei komplex. Doch gerade der Reformvertrag wird das bestehende, undurchsichtige Vertragsdickicht, das Aufgaben und Kompetenzen der Union definiert, lichten. Es handelt sich tatsächlich um ein Werk, das eine erhebliche Vereinfachung bringt.

Daher fordern die Jungen Liberalen:

3 – Politisches Handeln erfüllt Europa mit Leben

Schaffen institutionelle Reformen einen Rahmen, in dem effektiv europäische Politik zugunsten der Unionsbürger betrieben werden kann, gilt es sodann diesen zu nutzen. Liberale Ideen und Ansätze schaffen mehr Freiheit für die Menschen in Europa.

Konkret fordern die Jungen Liberalen:

4 Europa entsteht

Aufklärung, Menschenrechte, Demokratie und Frieden sind die Werte, die Europa prägen. Wenn es gelingt, aus der politischen Idee Europa ein funktionierendes Gemeinwesen zu schaffen, das eben diesen Werten verpflichtet ist, dann dient dies dem Wohle aller seiner Bürger. Wir sind davon überzeugt, dass liberale Ideen viel zu diesem Ziel beitragen können. Denn es macht einen Unterschied, wem man zur Europawahl seine Stimme anvertraut. Es macht einen Unterschied, welche politische Kraft im nach und nach einflussreicher werdenden Europäischen Parlament Mehrheiten besitzt oder schafft. Es macht einen Unterschied, ob Europaskeptiker oder überzeugte Europäer, Etatisten oder Freiheitsfreunde, Überwachungsfanatiker oder Bürgerrechtler, Umverteilungsapologeten oder Verteidiger der Sozialen Marktwirtschaft am Ruder sind. Auf dem Weg zu echter europäischer Integration gilt es vielfältige politische Entscheidungen zu treffen. Wir Junge Liberale setzen uns gemeinsam mit der FDP in einem europaweiten Zusammenschluss der liberalen Parteien dafür ein , dass diese Entscheidungen zugunsten der Freiheit und eines geeinten Europas ausfallen.

Sir Winston Leonard Spencer-Churchill, Zürich, 19.9.1946