Die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und die Garantie der ungestörten Religionsausübung, so wie sie in Artikel 4 unseres Grundgesetzes geschützt werden, sind für Liberale ein hohes Gut. Religiöse Toleranz ist die historische Wurzel der gesellschaftlichen Toleranz. Das Recht auf ungestörte Religionsausübung ist die historische Wurzel des Rechts auf eine unantastbare Privatsphäre. Doch die Ausübung von Religion muß den Rahmen der allgemein verbindlichen und demokratisch legitimierten Rechtsordnung anerkennen. Im Spannungsfeld zwischen Religionsausübung und der Anerkennung der allgemeinen Rechtsordnung findet die Praxis des sogenannten Kirchenasyls statt. Wir respektieren grundsätzlich das Gebot der Nächstenliebe der christlichen Kirchen und ihren Willen, verfolgten und schutzbedürftigen Menschen Zuflucht zu ermöglichen. Der Geist dieser Handlungsmotivation hat viele Gemeinsamkeiten mit dem ethischen und historischen Auftrag unseres Grundgesetzes. Auf der anderen Seite kann der Rechtsstaat nicht zulassen, daß sich Teile der Gesellschaft aus der Befolgung unserer Gesetze verabschieden.
Dogmatisch-technokratische Antworten sind in solchen Spannungsfeldern keine Lösung. Die ethische Motivation, die dem Kirchenasyl zugrunde liegt, kann nicht unberücksichtigt bleiben. Daher fordern wir einen Umgang mit dem Kirchenasyl in folgender Weise:
1) Die Durchsetzung des Strafrechtes muß in jedem Fall gewahrt sein. Kirchenasyl für verurteilte Straftäter i.S.d. StGB mit Ausnahme des Verstoßes gegen Abschiebebestimmungen ist in keiner Weise zu rechtfertigen. Der Staat muß hier in jedem Fall die allgemeine Rechtsordnung durchsetzen mit allen ihm dazu zur Verfügung stehenden Mitteln.
2) Kirchenasyl kann niemals zur Aufhebung rechtskräftiger Urteile beispielsweise in Abschiebungsfragen führen. Urteile sind zu vollstrecken, sobald dies problemlos möglich ist.
3) Die Kirchen werden aufgerufen, von der Praxis des Kirchenasyls nur in gut geprüften Fällen Gebrauch zu machen, um Kirche und Rechtsstaat nicht unnötig oft in Konflikt miteinander zu bringen.
Mit diesem Vorgehen begründen wird weder einen rechtsfreien Raum Kirche noch ein Sonderrecht für Religionsgemeinschaften. Wir halten es lediglich für staatspolitisch falsch, Konflikte zwischen rechtsstaatlichen Institutionen unseres Grundgesetzes und Handlungen, die vom Geist unseres Grundgesetzes durchdrungen sind, unnötig und öffentlich zu eskalieren. Die Jungen Liberalen bleiben bei ihrer ablehnenden Haltung in Bezug auf die Kompromißlösung im Asylrecht.