Verantwortung für alle!

Das Großartigste am Menschen ist seine Einzigartigkeit, Freiheit und Würde. Und die Werte dieser Eigenschaften können sich weder ändern, noch verfallen. Erst recht nicht während der Grundsicherung. Anders als drittklassige Fernsehsender zeigen, sind diese Menschen meistens keine unverschämten Sozialschmarotzer, sondern Menschen, die unbedingt mehr Verantwortung für sich und ihr Leben übernehmen können und möchten. Ein Versuch, das Wie und Wieso zu erklären.

 

Wieso müssen Sozialhilfeempfänger mehr Verantwortung tragen dürfen?

 

In keiner Lage „genießen“ Menschen weniger Verantwortung als in der Grundsicherung. Nirgendwo ist es einfacher, sich in der totalen Abhängigkeit vom Staat und von der Gesellschaft zu verlieren. Kaum kann man leichter absolut bevormundet werden. Ein Staat, der den Menschen diktiert, wie sie zu leben haben, nimmt ihnen die Freiheit und entwürdigt sie damit. Daher müssen Grundsicherungsempfänger – anders als so oft angenommen – den besonderen Schutz der Liberalen genießen. Hier darf man ruhig mal neu denken.

 

Um sich diese Abhängigkeit konkret vor Augen zu führen: Du sitzt als Hilfeempfänger vor der im Zweifel dich nicht mögenden Sachbearbeiterin und bist darauf angewiesen, dass sie deinen Antrag auf eine neue Waschmaschine genehmigt. Ebenso bei der passenden Wohnung (was ist eine passende Wohnung und wer bestimmt das?) oder dem Verhandeln, ob dein Partner jetzt bei dir lebt oder nicht. Ihre Entscheidung kann dich ziemlich viel kosten. Dieses Abhängigkeitsverhältnis sollte im Hinterkopf bleiben.

 

(Eine Sache darf hier aber nicht vergessen werden: Die sicherlich sogar kluge Sachbearbeiterin ist zwar die Repräsentantin des Staates, nicht aber für die strukturellen Probleme verantwortlich. Hier darf sich nichts entladen.)

 

Grundsicherungsempfänger haben ebenso ein Recht auf und vielleicht sogar die Pflicht zu einem verantwortungsvollem Leben, wie jeder andere Bürger auch. Rechtsstreite bei Cent-Beträgen des Mietvertrages und genaues beamten-deutsches Nachforschen, wenn es um den Beziehungsstatus eines Bürgers geht, sind toxisch, beziehungsweise gehen den Staat gar nichts an und nehmen dem Bürger schleichend Verantwortung. Je weiter der Staat in unser Leben vordringt, desto weniger Freiheit bleibt.

 

Ein Leben ohne Verantwortung, und damit ohne echte Freiheit, ist jedoch trostlos. Und unschön. Wir spüren die Freiheit nur, wenn wir auch ihre Konsequenzen erleben. Dabei geht es bei der Grundsicherung genau darum: Den Menschen in die echte Freiheit zurückzuführen. In ein selbstverdienendes und damit selbstbestimmtes Leben. Nimmt der Staat uns einmal die Verantwortung, gewöhnen wir uns im schlimmsten Fall noch daran und finden diesen unmündig bequemen Zustand erstrebenswert. Hier kommen wir zu zweiten Frage.

 

Wieso müssen Sozialhilfeempfänger mehr Verantwortung tragen?

 

„Der Zweck der Sozialhilfe sollte sein, so weit wie möglich die Notwendigkeit ihrer eigenen Existenz zu beseitigen.“ Was Ronald Reagan bereits 1970 genial sagte, stimmt heute immer noch. Sozialhilfe ist immer etwas Temporäres. Der freie Mensch sorgt für sich selbst, daher braucht die Sozialhilfe unbedingt reaktivierende und motivierende Komponenten. Dazu gehören sowohl Bildung als auch im Zweifel Sanktionen.

 

Denn Freiheit bedeutet auch immer die Verantwortung für falsche Entscheidungen und die damit einhergehenden Konsequenzen. Diese werden in der Debatte um die Grundsicherung aber viel zu sehr in den Mittelpunkt gestellt. Tatsächlich gab es in den letzten Jahren eine Sanktionsquote von etwa 3% aller Arbeitslosengeldempfänger. Eine ziemlich geringe Zahl. Statt sich hier festzubeißen, muss es um wichtigere Faktoren wie beispielsweise Bildung gehen. Vor allem, da die Realität zusätzlich zeigt, dass Sanktionen oft nicht zielführend sind. Die Menschen sollen sich der Gesellschaft annähern, nicht einen Groll auf sie hegen, weil ihre Leistungen gekürzt werden. Sanktionen per se abzulehnen ist jedoch Blödsinn, denn ihre Wichtigkeit bleibt.

 

Aus teils klugen, teils weniger klugen Gründen das Ende von Sanktionen zu fordern, die durch das Bundesverfassungsgericht für rechtmäßig erklärt worden sind, ist realitätsfern. Am Ende lebt der Empfänger auf Kosten der Steuerzahler, sodass er für Fehlverhalten aus ganz offensichtlichen Gründen bestraft werden muss.

 

Grundsicherung ist eine Serviceleistung

 

Die Grundsicherung ist im Notfall eine Serviceleistung des Staates. Jedoch gibt sie dem Staat weder ein Recht geschweige denn eine Pflicht auf Beherbergung ihrer Empfänger. Ebenso hat der Bürger kein Recht auf Bemutterung. Wer bemuttert werden will, soll mit 35 noch zuhause wohnen.

 

Ein weiterer Punkt sind selbstverständlich die unglaublich unfairen und leistungsfeindlichen Zuverdienstgrenzen. Ständig liest und hört man, dass ab dem 101. dazuverdienten Euro der Staat 80 Cent pro Euro einbehält, beschlagnahmt, raubt. Je nach dem. Dies ist leistungsfeindlich und bestraft genau denjenigen, der sich aus der Grundsicherung wieder hocharbeiten will. Und das geschieht nun einmal nicht von heute auf morgen, sondern durch immer weitere Stundenaufstockungen. Der Staat verkennt das jedoch.

 

Ein weiterer Schritt zu mehr Verantwortung ist die Abschaffung der unglaublich falschen und teils erniedrigenden bürokratischen Verwaltung der Grundsicherung. Menschen, die sich von Amt zu Amt schicken lassen, sich unserer aus ihrer Sicht willkürlich agierenden Sachbearbeiterin ausgeliefert fühlen, werden beinahe in die Verantwortungslosigkeit gedrängt und ergeben sich ihrer Lage. Eine radikale Vereinfachung und Entbürokratisierung des Systems ist ergo essentiell.

 

„Es ist nur eine Phase“ – hier hoffentlich wirklich

 

Wir müssen anfangen, die Phase, in der Menschen Arbeitslosengeld ll empfangen, wieder als kurzweilige Übergangsphase zu sehen. Die Grundsicherung sollte darauf ausgelegt sein, den Menschen wieder in die Arbeit zu begleiten. Beste Aus- und Weiterbildung gehören hier zweifelsohne dazu. Und vor allem innovativere Lösungen als mittelklassige Seminare in der verstaubten örtlichen Arbeitsagentur, um die Statistiken der Arbeitsagentur aufzubessern.

 

Leider führt eine kurzzeitige Arbeitslosigkeit durch unverhältnismäßige Staatseingriffe oft zu einem Sogeffekt: Eigentum von Wohnraum muss oft schnell veräußert werden, weil das Eigentum einen erfolgreichen Antrag auf Hartz-IV verhindert. Durch diesen Sogeffekt stürzt man auch sozial ab. Und das maßgeblich wegen des Staates. Genau genommen eine Unverschämtheit, wo er doch helfen soll, wieder aus dieser Lage herauszukommen und uns nicht in die Lage hineinstürzen.

 

Spricht man über Grundsicherung und Verantwortung, gehört eine Art von Verantwortung noch unbedingt dazu: Die Verantwortung der Empfänger gegenüber ihren Kindern. Sie haben die Verantwortung, ihre Lage zu verbessern, um die der Kinder zu verbessern. Wegen der sonst so prekären Chancen der Kinder, muss man dies besonders im Blick haben.

 

Nichts moralisch Verwerfliches

 

Wir sehen, dass es in der Grundsicherungsdebatte um zwei Gruppen geht: Das betroffene Individuum und den Staat als Verwaltungsorgan. Genauso wie sich der Bürger in einigen Dingen mehr anstrengen muss, muss sich der Staat in einigen Dingen mehr zurücknehmen. Und ganz wesentlich: Temporäre Arbeitslosigkeit ist nichts moralisch Verwerfliches, worauf die Gesellschaft herabsehen muss. Bei einer Staatsquote von 50% kann sich der Bürger sowas im Notfall kurzzeitig erlauben – Er zahlt im restlichen Leben genug Steuern.