Ist das Staat? Dann kann das weg.

Radikal ist das neue realistisch. Ganz nach dem grünen Zeitgeist, wagen wir ein radikales Gedankenexperiment; Anarchie. Was würde passieren, wenn der Staat nicht mehr wäre? Ein fehlendes Sozialsystem, eine gesetzlose Justiz, eine Auflösung der Steuerzahlungen und unzählige Arbeitslose wären nur einige Folgen. Wie würde die Außenpolitik funktionieren, wie kooperieren wir mit anderen Ländern?

Die offene Gesellschaft ist in Gefahr: Eine Darstellung des Status Quo

Die Menschen lieben die Sicherheit. Ein Dach über dem Kopf, Essen auf dem Tisch und jeden Monat eine Einzahlung auf das Konto zu haben, gewährt den Menschen Sicherheit und die Voraussetzung um soziale Bedürfnisse und Selbstverwirklichung zu erreichen – wir erinnern uns an die Bedürfnispyramide von Maslow. Wenn diese Sicherheit aber plötzlich wegfällt, dann ist die Freiheit zur Selbstverwirklichung das erste Opfer. Erst kommt das Fressen und dann kommt die Moral. Nachvollziehbar, dass vor allem in Krisenzeiten, wie wir sie dieses Jahr durch eine Pandemie erlebt haben, die Bevormundung durch den Staat dankbar angenommen wurde. Als es dann um Einschränkung der persönlichen Freiheit zugunsten des Gemeinwohls argumentiert wurde und mögliche Lockdowns, vom Staat auferlegte Quarantänemaßnahmen und die Maskenpflicht auferlegt wurde, beschwerte sich kaum jemand. Jeder der die Maßnahmen infrage stellt war gleich Verschwörungstheoretiker und machte sich der Teilnahme an „Diskussionsorgien“ (Merkel 2020) schuldig.

Und auch außerhalb der Coronadebatten wird Verbotspolitik, wie sie vor allem von den Grünen propagiert wird, innerhalb der Bevölkerung zunehmend positiv aufgenommen. Soll der Staat entscheiden, wie viel Fleisch, Alkohol und Tabak ich konsumiere? Soll er mir vorschreiben, dass ich maximal 130 km/h auf der Autobahn fahren darf? Soll er…Nein. Dies sind Entscheidungen, die das Individuum selber treffen kann. Je mehr Aufgaben und Entscheidungen einem abgenommen werden, desto unselbständiger und abhängiger werden wir. Für eine offene Gesellschaft ist es deswegen fatal, wenn der Diskurs um maßvolle Einschränkung nur zwischen entrückten Corona-Leugnern und Staatsgläubigen stattfindet.

Ein Gedankenexperiment

Über Subventionen in grüne Energien und regionale Produkte zu Umverteilungspolitik und Umlagefinanzierung durch Steuersysteme, Hartz IV, Nudging und GEZ, kann man die Beispiele der staatlichen Eingriffe abgehen.

Seit Bismarck 1880  mit der Einführung des Sozialstaats begann- und das nur um die Sozialdemokraten und Liberalen damals zu schwächen und das Volk von revolutionären Aufständen abzuhalten– wuchs die schützende Hand von Väterchen Staat zunehmend.  Doch brauchen wir überhaupt alle Lenkung, die wir aktuell erfahren? Was würde passieren, wenn es -auch welchen Gründen auch immer, sei es durch eine Revolution, ein Attentat, eine friedliche Auflösung- keinen Staat mehr geben würde? Im besten Fall könnte es so aussehen: „Anarchie ist Ordnung ohne Herrschaft.“( Proudhon) bzw. um aus dem griechischen zu Übersetzen: Herrschaftslosigkeit. Da die Regierung bzw. der Staat in Vertretung für das Volk, die Herrschaft übernimmt, würde dieser in einem anarchistischem System obsolet. Es kommt zu einer Synthese der Freiheit des Individuums und des friedlichen Zusammenlebens. Niemand hat Macht über jemand anderen, Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Fügt man nun noch den altruistischen Menschen hinzu, haben wir eine friedlich zusammenlebende Gesellschaft in der der Starke freiwillig die Schwachen unterstützt und beschützt. Eigenverantwortung bei Krankheitsausfällen, Alter und Arbeitslosigkeit ist nun durch fehlende Abgaben ergo mehr Geld auf dem Konto möglich. Man ist eher bereit zu spenden und kann nun auch frei entscheiden, welche Organisationen und Bereiche er oder sie unterstützen möchte, gönnt sich mal den einen oder anderen Theaterbesuch und entwickelt ein kohärentes Gesellschaftsgefühl.

Kritiker werden aufschreien und sagen: Keine Macht für niemanden, bedeutet alle Macht der Elite. Ohne Staat gäbe es kein Regulierungsorgan und die Schere zwischen Arm und reich würde unaufhaltsam aufreißen, ohne Gesetze würde es zu Gräueltaten, wie Raub, Vergewaltigung und Totschlag, gefolgt von willkürlicher Selbstjustiz kommen. Der egoistische Mensch würde die Möglichkeit zur Entfaltung nutzen, denn überall die Versuchung, alles tun zu können ohne Grenzen: eine ubiquitäre Freiheit. Der gesamte Staatsapparat um Militär, Polizei, Gesetze und Justiz würde verschwinden und uns von innen als auch von außen angreifbar machen. Ein fehlendes Sozialsystem, was den Bürger im Fall von Krankheit, Kündigung und Krisenzeit den Boden unter den Füßen wegreißt. Da kann man sich gleich mit der letzten Kraft sein eigenes Grab schaufeln, denn in einer egoistischen Welt wird keiner einem helfen und man wird verhungern, wenn man nicht vorher durch Willkür von Fremden, die ihre Gewaltfantasien nun endlich ohne Konsequenzen ausleben dürfen, massakriert wurde.

Schauen wir uns das andere Extrem an: ein Staat der uns die Luft der Freiheit vollständig wegnimmt, betäubt und narkotisiert von Tag zu Tag leben lässt. Jeder Schritt wird überwacht und kontrolliert, ob man ein braver, staatstreuer Bürger ist. Hilft man der Oma über die Straße, wird dies registriert, schreibt man einen staatskritischen Kommentar wird man sofort in die Liste der Staatsfeinde aufgenommen, die Wohnung verwanzt und unter ständiger Beobachtung. Ich denke, ich muss diesen Punkt nicht weiter ausführen, zumal es sich hierbei auch nicht, um ein Gedankenexperiment, sondern um Realität in zumeist diktatorisch regierten Ländern handelt. Eine Balance zwischen beiden Extremen ist die Lösung, wobei hierbei gesagt werden, dass diese abhängig von Kultur, historischen Hintergrund und Wertvorstellung einen anderen Wert besitzt.

Ein gewissen Vertrag muss es aber geben. Da sind sich die Kontraktualisten bereits in der Vergangenheit einig geworden. Beim Wie und Wer gehen die Meinungen auseinander. Hobbes sieht in seinem Magnum Opus die Lösung im Staatsvertrag, in dem das Individuum seine Rechte in die Hände eines absolutistischen Staats mit einem Herrscher -dem Leviathan- legt. Dieser besitzt alle Macht und agiert nach den Gesetzen des Rechts und der Moral. Rousseau wiederrum schlägt einen Gesellschaftsvertrag vor in dem die staatliche Gewalt nach dem Gemeinwohl der Bevölkerung ausgeübt werden sollte. Dieser staatliche Eingriff ist nach seiner Meinung nötig, da durch die Erfindung des Privateigentums soziale, ökonomische und politische Unfreiheit generiert werden. Jedes Individuum sollte dabei seine Interessen dem Gemeinwillen unterordnen. Das Individuum soll also enteignet werden. Für den Liberalismus sind aber die Rechte auf Privateigentum und individuelle Freiheit essentiell und unteilbar miteinander verbunden. Die Verbindung zwischen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Freiheit bzw. zwischen Privatwohl und Gemeinwohl stellten weitere liberale Vordenker wie Adam Smith und John Locke hinlänglich da.

Betrachten wir eine moderne Synthese dieser Ansätze und schauen uns dafür Nozicks Definition eines Minimalstaates an. Diesen beschriebt er in seinem Buch „Anarchie, Staat, Utopie“ und stellt den uns bekannten Sozialstaat als illegitim dar. Die Besteuerung von Arbeitseinkommen setzt er mit Zwangsarbeit gleich. Arbeit, die über die Befriedigung der eigen Grundbedürfnisse hinausgeht und Güter generiert, dürfe einem nicht zum Verhängnis werden. Ein Staat, der einem auf rechtsstaatliche Art und Weise erwirtschaftetes Kapital wegnimmt, ist ein enteignender Unrechtsstaat . Nozick   sieht somit ein rechtmäßig generiertes Einkommen und nicht die ungleiche Verteilung durch den Staat als gerecht. Arbeit muss sich lohnen. Wenn ich 70 Prozent meines Einkommens an den Staat abgeben muss und dieser mangelhafte Transparenz über die Ausgaben präsentiert ist das schlichtweg Raub. Nozicks Gedankengänge sollen uns als Anregung dienen, die Legitimation des Staates regelmäßig zu hinterfragen. Misstrauen in den Staat macht uns nicht zu Anarchisten, sondern zu Freiheitskämpfern.