Freiheit der Forschung – Fortschritt gegen Moral eintauschen?

Netflix präsentiert uns in seinem deutschsprachigen Original Biohackers die Antagonistin Prof. Tanja Lorenz. Der Stereotyp des „Verrückten Wissenschaftlers“ ist eigentlich nichts Neues, was man jedoch selten sieht ist, dass ein moralisch fragwürdiger Wissenschaftler nicht auf einer einsamen Insel in einem Geheimversteck arbeitet, sondern an der Universität Freiburg. Genau deswegen gibt es hier auch typisch deutsche Probleme wie den Ethikrat und hier stellt sich dann eine sehr reale politische Frage: Wie sehr müssen (oder sollten) wir Forschende einschränken? Stoppen diese Regeln und Standards den Fortschritt oder halten sie uns von realen ethisch-moralischen Abstürzen fern?

Man könnte es sich hier auf den ersten Blick als Liberaler ganz einfach machen, auf die Freiheit von Forschung und Lehre im Grundgesetz zeigen und sagen: „Der Staat sollte sich so weit wie möglich aus der Forschung raushalten und die Forscher einfach alles machen lassen, was die Wissenschaft voranbringt.“ Wer so denkt, der denkt aber zu kurz, denn bei der Regulierung von Versuchen gilt es, wichtige Verfassungsgüter des Grundgesetzes zu schützen, die Menschenwürde und das Recht auf Unversehrtheit. Die könnten nämlich eventuell durchaus bei Tests am Menschen beeinträchtigt werden.

Corona um jeden Preis heilen?

Das Dilemma lässt sich sehr gut an der momentanen Corona-Pandemie verdeutlichen. Die ganze Welt wartet Sehnsüchtig auf einen Impfstoff gegen COVID-19, würde aber irgendjemand heute auf einen Impfstoff finden müsste dieser noch gründlich getestet werden. Bevor irgendein Mensch den Impfstoff bekäme, muss er aber gründlich im Labor und an Tieren getestet werden. Die oben genannte Professorin Lorenz würde sich das gründliche Testen des Wirkstoffs vermutlich sparen und einfach munter sofort drauf los impfen, denn es geht ja immerhin darum, ein globales Virus aufzuhalten. Für manch einen könnte das vermutlich sogar nachvollziehbar, vielleicht sogar gut klingen. Die Tests wären schneller fertig und der Impfstoff schneller auf dem Markt. Die schreckliche Pandemie wäre endlich vorbei und man müsste nicht mehr diese bescheuerten Masken tragen.

Klingt zunächst wie der Jackpot oder? Ich gebe auch gerne selbst zu, es hört sich zunächst verdammt gut an, die Pandemie schneller loszuwerden und dafür eine Rüge vom Ethikrat zu kassieren. Diese Denkweise wird auch tatsächlich in der Ethik vertreten, man nennt sie Utilitarismus. Gut ist was dem größtmöglichen Allgemeinwohl dient, oder noch schärfer: Der Zweck heiligt die Mittel. Und genau hier befindet sich der Punkt wo wir als Liberale hellhörig werden müssen.

Faire Rahmenbedingungen für Freie Forscher

Was passiert, wenn der Test-Impfstoff nicht funktioniert, sondern den Geimpften bleibend an der Gesundheit schädigt? Haben wir uns dann nicht am Einzelnen schuldig gemacht? Genau deswegen gilt auch für die Forschung an Universitäten als auch im Privaten das, was wir für den Markt predigen, wir müssen klare Spielregeln setzen die den einzelnen und im schlimmsten Fall ahnungslosen schützen. Forschung und Fortschritt darf nicht über alles gestellt werden, sondern muss fair begrenzt werden. Klar ist dann aber auch: Wer sich an die Regeln hält, darf forschen an was und wie er es möchte. Wie und wo sollen wir diesen fairen Rahmen nun aber setzen? Was geht und was geht nicht? Welche Risiken darf man einer Testperson antuen und wo wird es unverantwortlich? Was sind die Grenzen des ethisch Vertretbaren?

Die Antwort bei ethischen Fragen wie diesen ist meist nicht einfach, ganz im Gegenteil, es sind ja eben diese Fragen, bei denen im Bundestag der Fraktionszwang zu Gunsten des Gewissens aufgehoben wird. Genau hier kommt dann auch wieder der Ethikrat ins Spiel, denn statt pauschal einen zu engen Rahmen zu setzen, sollen viele Regelungen von den Forschenden in Eigenverpflichtung getroffen werden um unnötige Einschränkungen der fachlich deutlich schlechter informierten Politik.

Regulierung durch Selbstregulierung

Genau hier liegt die größte Stärke der ethischen Selbstregulierung. Es ist eben nicht der Staat der jedes ethische Problem per Gesetz löst, sondern es ist die Akademische Gemeinschaft und die jeweilige Lehr- und Forschungsinstitution selbst. Die akademischen Freiheiten sind in der Verfassung geschützt und der Staat nimmt dieses Grundrecht ziemlich ernst in dem er die Kontrolle nicht von oben herab, sondern aus der Fachwelt selbst vollzieht. Die ethischen Fragen sollen nämlich auch von denen diskutiert werden die sie betreffen. Gerade die Mediziner vollziehen diese Selbstkontrolle, nicht zuletzt dank der Erfahrungen der Nazizeit auch mit großen Bemühungen.

Der Staat nimmt die Freiheit der Forschung also fast schon überraschend ernst und hält sich erfreulicherweise öfter raus, als dass er einschränkt. Natürlich gibt es auch Einschränkungen, die vermutlich größte liegt im Embryonenschutzgesetz und genau die müssen auch immer wieder auf ihren Sinn hinterfragt werden. Allgemein gilt aber (und das finde ich ehrlich gesagt ziemlich großartig), Regeln und Standards kommen aus der Akademischen Gemeinschaft und genau deswegen können wir davon ausgehen, dass die meisten Regeln sinnvoll sind und den Fortschritt so wenig wie möglich bremsen, denn wer macht sich schon selbst das Leben schwer.

 

Moritz Ritterswürden (19) studiert Jura an der Ruhr-Universität Bochum. Daher interessiert sich auch besonders für Bürgerrechte und Bildungspolitik. Bei den Jungen Liberalen Herne kümmert er sich als Beisitzer um Social-Media. Ihr erreicht ihn unter .