Contra Fahreignungsprüfung: Wir prüfen uns selbst – jeden Tag aufs Neue

Eine Erläuterung, warum die Gesellschaft auf sich selbst Acht geben sollte, anstatt sich auf Prüfungen anderer zu verlassen.

Die Bahn stoppt plötzlich. Es ist dunkel, wir stehen auf offener Strecke, niemand weiß was passiert ist.. Nach einigen Minuten dann die Durchsage: Die Weiterfahrt sei nicht möglich, da sich vor uns ein Unfall mit einem Kraftfahrzeug ereignet hatte. Also ging es auf offener Strecke heraus aus der Bahn. Ein verwirrt wirkender alter Mann stand in Obhut von Rettungskräften nahe der Unfallstelle. Ein Mercedes aus den 2000ern, quer auf den Schienen. Nur einige Meter entfernt befindet sich eine dreispurige Straße, welche über die Schienen führt. Durch die Presse wusste ich am nächsten Tag: Ohne nachvollziehbaren Grund kam der Herr von der Fahrbahn ab und landete auf den Gleisen. Nun bin ich natürlich sehr froh, dass kein Mensch zu Schaden kam, aber gleichzeitig nachdenklich, wieso jemand, der offenbar nicht mehr in der Lage dazu war, sich weiter hinters Steuer setzte und sich und seine Mitmenschen damit in Gefahr brachte.

Ein Beweis für Fahreignungsprüfungen im Alter?

Für mich bleibt die Antwort darauf trotzdem eindeutig: Nein. Denn wir Liberale stehen für einen Staat, der seine Bürger in größtmöglicher Eigenverantwortung leben lässt. Kann man selbst verantworten und entscheiden, ob man tauglich ist, am Straßenverkehr teilzunehmen? Definitiv!

Unfälle, wir der zuvor geschilderte, entstehen nicht aus dem Nichts. Sie sind das Ergebnis einer natürlichen Entwicklung, der abnehmenden kognitiven und physischen Fähigkeiten mit zunehmendem Alter. Meist beginnt es damit, dass man vorsichtiger wird, generell eher langsamer als zu schnell fährt und vielleicht die größere Lücke beim Abbiegen nutzt. Das ist richtig und nötig, wenn man merkt, dass sich eben etwas zu früher verändert hat. Die natürlich nachlassende Leistungsfähigkeit im Alter wird durch die Erfahrung kompensiert. Das heißt: Man kann selbst einschätzen, was noch geht und was nicht mehr. Zu dieser Eigenverantwortung zählt dann aber auch, ehrlich mit sich zu sein und das Fahren ab einem gewissen Punkt möglicherweise vollumfänglich einzustellen.

Es kommt auch auf die Umgebung an.

Die gleiche Ehrlichkeit ist auch von all jenen zu erwarten, die im Umfeld einer Person das Abnehmen von geforderter Leistungsfähigkeit für den Straßenverkehr beobachten. Eine Ärztin muss ihre älteren Patienten aufklären, ein Sohn darf keine falsche Freundlichkeit gegenüber seinen Eltern an den Tag legen. Nur selten fahren Personen immer alleine Auto. Der oder die Beifahrer sind in der Pflicht, ihre Bedenken nötigenfalls zu äußern. Diese Art Druck und die Aufklärung von außen werden auch den letzten noch nicht ganz überzeugten Senioren dazu bringen, sein Handeln selbstkritisch zu hinterfragen und das Fahren zu beschränken oder ganz sein zu lassen.

Eines ist beim Thema Fahren auch klar: Nicht jede Strecke ist gleich anspruchsvoll. So ist die Fahrt zum Einkaufen mit ihren gewohnten Wegen vielleicht noch sicher machbar, aber die Strecke zum neuen Theater in der Stadt nebenan schon nicht mehr. So eine Individualentscheidung könnte das pauschale Entziehen von Führerscheinen nie treffen. In jedem Fall ist es wichtig, sich selbst zu reflektieren, Mitmenschen um ihre Meinung zu bitten und vernünftig zu handeln.

Hätte der Unfall also verhindert werden können?

Unfälle sind immer eine Verkettung unglücklicher Umstände. Wäre dem Verursacher an diesem Abend spontan etwas dazwischengekommen und er hätte seine geplante Fahrt nicht angetreten, ist es nicht unwahrscheinlich, dass er die nächsten 20 Jahre unfallfrei weitergefahren wäre. Wäre er wenige Minuten später losgefahren und hätte erst an der roten Ampel halten müssen, bevor er auf die Kreuzung fuhr, wäre ihm dieser Fehler möglicherweise nicht unterlaufen. Das alles sind Mutmaßungen. Doch wir tun gut daran, solche Beispiele für Aufklärung, was das Fahren im Alter angeht, zu nutzen, um auch der letzten Person deutlich zu machen: Auch wenn es bisher gut geklappt hat, solltest du dir deiner Verantwortung im Straßenverkehr bewusst sein. Die einhundertprozentige Sicherheit, das wissen wir als Liberale besonders, wird es in einer freien Gesellschaft nie geben.

 

Lukas Scheible (23) ist Fluglotse und Bezirksprogrammatiker in Ostwestfalen-Lippe. Er interessiert sich besonders für Verkehrspolitik. Ihr erreicht ihn unter