Wissenschaft und Gesellschaft – Ist diese Beziehung noch zu retten?

„Studien haben gezeigt, dass der Klimawandel natürlich ist!“ und „Impfungen lösen Autismus aus!“ sind Sätze, die wir alle schon mal gehört haben. Trauriges Zeugnis einer Beziehungskriese zwischen Wissenschaft und Gesellschaft . 39% der Deutschen sind unentschieden ob sie der Wissenschaft vertrauen können;nur 40% glauben, dass die Wissenschaft für das Wohl der Menschen arbeitet.

 

Das Problem liegt in der Informationskommunikation.. Die Gesellschaft fordert eine einfache Verarbeitung der Inhalte, die am besten innerhalb eines kurzen Videobeitrags erfasst werden kann. Dieser sollte den Konsumenten mitreißen, und sich in der Reizüberflutung des Internets von anderen Inhalten abheben. Sie möchte eine eindeutige Antwort und keine Widersprüche. Und hier ist der Haken: Die Wissenschaft arbeitet nicht mit kurzen Videopräsentationen, um die Ergebnisse einer Studie zu vermitteln. Die Deutschen Forscher nutzen Social Media unterdurchschnittlich häufig für die Aufbereitung ihrer Ergebnisse, um auch nicht-Wissenschaftler zu erreichen. Nur rund 10% der Forschenden geben an, ein gutes Lehrangebot für die Kommunikation mit nicht-Wissenschaftlern an ihrer Hochschule gehabt zu haben. Ein Wissenschaftler schreibt seine Ergebnisse in erster Linie für andere Wissenschaftler nieder, damit diese sie bestätigen oder falsifizieren können. In der Wissenschaft ist das gegenseitige Widersprechen zwingend notwendig, um zu Erkenntnissen zu gelangen. Sich widersprechende Forschungsergebnisse steigern allerdings das Unverständnis der Bevölkerung und senken so das Vertrauen der Gesellschaft in die Wissenschaft. Wer von uns glaubt noch an Studien zu Ernährungstrends? Kaum einer, weil dasselbe Nahrungsmittel laut einer Studie Wunder und laut der nächsten garnichts bewirkt.

 

Vielleicht geht der Wissenschaftler auch davon aus, dass eine Person der breiten Gesellschaft die die Studie liest, diese in Gänze liest und nicht nur überfliegt. Für den Wissenschaftler ist klar, dass es einen natürlichen Klimawandel gibt. Der Klimaskeptiker fühlt sich an dieser Stelle bestätigt und liest nicht weiter. Im folgenden Satz mag es allerdings darum gehen, dass die Klimaveränderung im Vergleich zu vorherigen Veränderungen in der Geschichte der Erde deutlich schneller voranschreitet und das (vereinfacht dargestellt) an der durch den Menschen veränderten Konzentration bestimmter Gase liegt. An dieser Stelle sollten wir im Blick haben, dass nicht nur die Gesellschaft Ansprüche an die Wissenschaft haben kann, sondern auch die Wissenschaft an die Gesellschaft. Zum Beispiel den, dass Ergebnisse nicht bewusst aus dem Kontext gerissen werden..

 

Politiker sind Teil der Gesellschaft und von dieser beeinflusst. Sie machen sich nicht nur den üblichen Kommunikationsfehlern zwischen Wissenschaft und Gesellschaft schuldig. Häufig wechseln sie ihre Meinung nach den populären oder lauten Strömungen der Gesellschaft, orientieren sich eher an der Beliebtheit in unserer Bevölkerung als an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu einigen Themen. Wenn man nicht zu genau hinsieht würde man eine wissenschaftliche Begründung zu jeder Position finden und in der Politik bleibt einfach nicht die Zeit, um auf langwierige Studien zu warten. Ob man als Politiker dann den Klimawandel oder die Evolution leugnet bleibt einem freigestellt.

 

Wie lösen wir dieses Problem? Die Gesellschaft wird weiter eine kurze und oberflächliche Präsentation von Forschungsergebnissen fordern, die sie dann nach den eigenen Wünschen auslegen kann. Die Wissenschaft kann ihre Kommunikation nur langsam ändern und Ergebnisse sowohl im bewährten Format für andere Wissenschaftler als auch für den Konsum aufbereiten. Was wir jetzt brauchen ist ein neuer Dialog, in dem die Gesellschaft neu für die Wissenschaft sensibilisiert wird. Ansetzten kann man beispielsweise in der Schule. Neben der reinen Wissensvermittlung wird nur selten der Prozess wie das Wissen erlangt wurde gelehrt. Was aber nicht gelehrt wird ist warum wir dieses Wissen als Fakt ansehen. Dass es Wissenschaftler gab, die diese These geprüft haben und die Information, durch Belege, als in diesem Wissenschaftsfeld als anerkannt gilt, wird zu wenig erwähnt, oder dass es umgekehrt erst durch die Falsifizierung einer Hypothese, durch einen anderen Wissenschaftler, zu einer Erkenntnis gekommen ist. Zum anderen muss den Schülern und Schülerinnen Medienkompetenz auch für wissenschaftliche Inhalte nahegebracht werden, sodass die Schüler und Schülerinnen sich bewusst sind, dass die zum Konsum geeignete Darstellung der Forschungsergebnisse stark verkürzt und deswegen bei Interesse oder zur Argumentationsgrundlage das gesamte Ergebnis gelesen werden sollte um Missverständnisse zu verhindern. Hier ist es zudem wichtig verstärkt auf „Fake News“ einzugehen. Immer noch geben nur rund 50% der Facebook Nutzer an Fake News erkennen zu können.

 

Das Problem ist nicht neu, sondern wurde bereits 1999 thematisiert. Die Präsidenten führender Forschungseinrichtungen unterschieben damals das Abkommen „Public Understanding of Science and Humanities“, indem festgehalten wurde, dass Forschungsergebnisse auch für nicht-Wissenschaftler verständlich dargestellt werden sollen. Im Zuge dessen wurden Hochschulen und Forschungseinrichtungen aufgefordert die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und Weiterbildungen für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen anzubieten. Wie oben beschrieben ist seitdem nicht genug passiert. An dieser Stelle müssen wir auch hochschulpolitisch aktiv werden, um uns dafür einzusetzen, dass die zukünftigen Forschenden mehr Kompetenzen in der außerwissenschaftlichen Kommunikation erhalten.

 

Die Politik kann in diesem Verhältnis ebenfalls etwas bewirken. Zum einen kann jede Partei sich die im Fachbereich fähigsten Mitglieder raussuchen, um sie im betreffenden Themengebiet zu vertreten. Nach dem Grundprinzip der Leistungsgerechtigkeit sollten gerade die Liberalen an dieser Stelle Vorreiter sein. Stattdessen sitzen in unseren Parlamenten diejenigen die am besten reden oder netzwerken können. Zum anderen reden in Debatten häufig auch diejenigen die sich bei einem Thema nicht unbedingt auskennen und sich bisher nur oberflächlich damit auseinandergesetzt haben, einfach damit etwas gesagt wurde oder eine Meinung zum wiederholten Male geäußert werden kann, anstatt, dass die Fachleute Fakten darlegen und Argumente vermitteln können. Die Politik macht sich auch parteiintern immer wieder des Populismus schuldig, indem eine uninformierte laute Masse, die informierte und fachlich kompetente Minderheit ignoriert.

Die Beziehung zwischen Gesellschaft und Wissenschaft muss noch nicht aufgegeben werden. Sie erfordert Arbeit an der Kommunikation und Selbstreflektion, aber durch gegenseitiges Verständnis können Gesellschaft und Wissenschaft wieder enger zusammenwachen.

 

Anna Hommen (21) studiert Geographie, Städtebau und BWL an der Universität zu Köln. Sie ist stellvertretende Bundesarbeitskreisleiterin Umwelt, Verkehr und Bau. Erreichen könnt ihr sie unter