Bildung ist zu wichtig, um sie dem (Bundes-)Staat zu überlassen

Der Föderalismus gehört zu den in Artikel 20 festgeschriebenen Grundsäulen unserer Verfassung und damit unserer Republik. Es ist der Grundsatz, der in der öffentlichen Meinung am wenigsten verstanden und geschätzt wird. Viele Menschen hierzulande sehen Demokratie oder Sozialstaatlichkeit als wichtige Grundsätze, nehmen den Föderalismus jedoch als veraltetes Relikt aus den Zeiten der Väter des Grundgesetzes wahr. Gerade in der Bildung scheint der Föderalismus den meisten ein Dorn im Auge zu sein – es wäre alles angeblich so einfach, wenn nicht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kochen würde. Selbst die FDP ist unlängst zur Verfechterin des Bildungszentralismus geworden. Warum dieser Verfassungsgrundsatz dennoch eine der wichtigsten Säulen einer freien Gesellschaft bildet: ein Plädoyer für den Bildungsföderalismus.

Zentralismus als Aspekt des totalitären

Zunächst scheint der Ruf nach Zentralisierung der Bildung einleuchtend. Kinder und Jugendliche sind an ihrer sozialen Herkunft und der sozio-ökonomischen Situation ihrer Eltern unschuldig. In diesem Sinne scheint es nur gerecht staatliche Bildungsangebote bereitzustellen, damit jedes Kind eine Möglichkeit zur Bildung bekommt. Dieses Argument der Chancengerechtigkeit ist auch für den Liberalen einleuchtend, der staatliche Unterstützung der Bildung von Kindern als sinnvolle staatliche Investition sieht, die viel nachhaltiger ist als eine gescheiterte Bildungsbiographie irgendwann mit Sozialleistungen alimentieren zu müssen.

Nun scheint es ebenso ungerecht, dass ein Kind aufgrund seines Wohnortes gegebenenfalls in eine schlechtere Schule kommt, nur weil es im schulischen Einzugsgebiet lebt. Also sollte Bildung schlicht zentral aus Berlin verwaltet werden, damit alle Kinder die gleichen Chancen haben. Die Versuchung des Zentralismus ist süß und ihr wird meist aus redlichen Motiven nachgegangen. Aber sie birgt eine Tücke: Denn Föderalismus ist immer auch eine Form vertikaler Kontrolle politischer Macht. Ein zentral verwaltetes Bildungssystem lässt sich deutlich schwieriger verändern als die Bildungspolitik eines einzelnen Bundeslandes. Genau diese Tücke der staatlichen Machtausweitung wurde im 20. Jahrhundert in allen totalitären Systemen verwendet, um die heranwachsenden Menschen staatlich zu indoktrinieren. „Folgen dir die Kinder, folgt dir die ganze Nation“, so soll es Napoleon einmal gesagt haben – ein Spruch den sich Stalin, Hitler und ihre Gleichgesinnten zur bildungspolitischen Leitlinie nahmen. Zentralismus ist immer ein Aspekt des Totalitarismus gewesen und deswegen sollten wir Liberale ihm sehr skeptisch gegenüberstehen.

Qualität oder Vergleichbarkeit?

Wir wollen beste Bildung. Natürlich, denn sie bildet Kinder und Jugendliche, bereitet sie auf das Erwachsenenleben vor und macht sie zu kritisch denkenden Persönlichkeiten, steigert den Wohlstand und sichert unsere Zukunft. Es sollte Konsens sein, dass Qualität in der Bildung über allem stehen sollte. Die besten Lehrer, in den besten Schulgebäuden unterrichten mit modernster Ausstattung bestens ausgebildete Kinder – so die Idealvorstellung. Aber ebenso laut ist der Ruf nach Vergleichbarkeit. Die politische Linke empfindet den Fokus auf Leistung und dem Abrufen inhärent unterschiedlicher, individueller Potenziale eine systemimmanente Ungerechtigkeit. Denn die daraus resultierende Ungleichheit würde viele Kinder benachteiligen. Also soll Bildung möglichst vereinheitlicht und damit gleich gemacht werden. Doch innerhalb der FDP lautet es ständig man würde schlicht Vergleichbarkeit mit bester Qualität verbinden. Damit stimmt man implizit der linken Problemanalyse zu und verfolgt die gleichen Ziele einer einheitlichen Bildung mit zentraler Abschlussprüfung, nur um dann mehr Schulautonomie und Freiheit für einzelne Schulen zu fordern. Aber sobald das Bildungssystem einmal zentralisiert wird, werden Privatschulen und Schulautonomie als Elemente der Ungleichheit ebenfalls eingestampft werden, im Namen der Gerechtigkeit und Vergleichbarkeit – so wie es in den 1930er Jahren in der Sowjetunion geschah.

Zudem lehrt uns die Geschichte, dass jede Form der Zentralisierung stets zum Herunterbrechen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner führte. Denn Normen und Regeln für kleinere Systeme lassen sich individueller und genauer anpassen. So kann jede Schule ein Regelwerk festlegen, was ihrer besonderen Situation und den individuellen Bedürfnissen der Schüler gerecht wird. Aber je größer das System, desto allgemeiner müssen die Regeln lauten und damit entfernen sie sich so weit vom Einzelnen, dass sie nur noch das widerspiegeln worauf sich letztlich alle irgendwie einigen können. Aber für uns Liberale ist der Einzelne, das Individuum im Zentrum unserer Weltanschauung und die Maximierung seines individuellen Potenzials durch die Gewährung der maximalen individuellen Freiheit. Deswegen sollten wir uns als Liberale der Zentralisierung, also der Gleichmachung der Bildung, entschieden entgegenstellen, um stets die Individualität und damit die Qualität gegenüber der Vergleichbarkeit hochzuhalten. Und dabei sollten wir als Liberale uns nichts vormachen, denn Zentralisierung und Vergleichbarkeit heißt immer Gleichmachung. Denn vergleichbar ist nur, was gleich gemacht wird.

Liberale Antworten in der Bildungspolitik

Da wir als Liberale nun festgestellt haben, dass der Zentralismus nicht unser Weg ist, sondern der Föderalismus und die Freiheit, stellt sich die Frage welche konkreten Forderungen daran geknüpft werden sollen. Für uns ist klar, dass Wettbewerb die Qualität steigert, da sich die besten Konzepte beweisen und diese dann imitiert werden – es stellen sich best practice Modelle ein. Also sollte unser Ziel die größtmögliche Freiheit und Autonomie für einzelne Schulen sein, so wie es in den Staaten der Fall ist, die in den internationalen Vergleichsstudien stets die besten Bildungsergebnisse erzielen, wie Honkong, Neuseeland, Japan oder Finnland.

Dafür ist zunächst eine Reform der Lehrerausbildung von Nöten, die rigoros nach den Besten der Besten selektiert, denn nur das Beste ist gut genug für die Bildung unserer Kinder. Auch hier sollen die Bundesländer in Konkurrenz treten, damit sich durch den Wettbewerb die besten Methoden der Lehrerausbildung einstellen. In der Folge ist es ebenfalls sinnvoll den Schulen größere Freiheit zu geben, nach welchen Maßstäben sie ihre eigenen Lehrer auswählen. Dafür eignet sich das Konzept der Privatschule, die eben solche Freiheiten haben, die es noch zu erweitern gilt. Dazu ergibt es ebenfalls Sinn bereits existierende staatliche Schulen in private Trägerschaft zu überführen.

Damit Eltern und Schüler auch die Möglichkeit haben sich für die beste Schule zu entscheiden, die ihren Bedürfnissen gerecht wird muss die Wahlfreiheit in die Hände der Eltern gegeben werden. Das Konzept School Choice, also die Möglichkeit für Eltern frei auszuwählen an welcher Schule sie ihre Kinder anmelden, hilft besonders Kindern, die aufgrund ihres Wohnortes in sozial schwachen Einzugsgebieten leben, was ihnen einen Ausweg aus der Armut ermöglicht. Damit Schüler und Universitäten feststellen können, ob ein potenzieller Schüler oder Student die Anforderungen dieser Bildungseinrichtung erfüllt, benötigt es keine erzwungene Vergleichbarkeit durch staatliche Zentralisierung (zum Leidwesen der Qualität). Den Bildungseinrichtungen ist auch die Freiheit einzuräumen ihre Schüler nach eigenen Auswahlverfahren auszuwählen. Durch Aufnahmetests oder Auswahlgespräche stehen den Bildungsinstitutionen individuell angepasste Möglichkeiten zur Verfügung, die keine staatliche Gleichmachung benötigen. Im Rahmen dieser Reformen, zugunsten schulischer Autonomie, ist den Schulen die Freiheit einzuräumen eigene Abschlussexamen zu konzipieren. Die zentralen Abiturprüfungen ist eine Form jener erzwungenen Zentralisierung, die es in der logischen Folge abzuschaffen gilt. Ob die Schulen die Option staatlich-gestellter Prüfungen in Anspruch nehmen, sei ihnen freigestellt.

Doch warum müssen Kinder eigentlich dazu gezwungen werden eine Schule zu besuchen? Die Freiheit des Einzelnen und die Freiheit der Eltern umfasst auch die Wahlfreiheit über die Bildung der Kinder. Ineffiziente staatliche Direktfinanzierungen kommen nur selten den Schulen unmittelbar zugute. Um dennoch jedem Kind die Chance auf Bildung zu gewährleisten, sollte der Staat Bildungsgutscheine an jedes Kind geben, die in allen Bildungseinrichtungen genutzt werden können, je nach dem was adäquat für das individuelle Kind ist. Ob dieses Angebot nun in einer staatlichen oder privaten Schule genutzt wird, sollte der Freiheit des Einzelnen überlassen sein. Eine Pflicht zur Bildung und keine Schulpflicht sollte die liberale Marschroute sein. Lasst uns mit mutigen, liberalen Konzepten die Bildung der Zukunft gestalten und den Föderalismus in der Bildung erhalten und ausweiten.

Über den Autor:

Alexander Kobuss (21) studiert Lehramt für Gymnasien mit den Fächern Geschichte sowie Sozialwissenschaften und Leiter des Bundesarbeitskreises für Wirtschaft/Energie/Finanzen und Juli-Vertreter im Bundesfachausschuss Finanzen/Steuern/Haushalt. Ihr erreicht ihn unter