Politik muss Weichen für Mobilität der Zukunft stellen

Eine Frage, die schon seit Jahren allgegenwärtig scheint und deren Antwort trotzdem bis heute nicht einfach zu geben ist: Wie sieht die Mobilität der Zukunft aus?

Wir wissen es nicht.

Es ist nach wie vor nicht klar, welche Mobilitätskonzepte und Antriebsformen von der Gesellschaft und vom Gesetzgeber angenommen werden -aber es ist vorhersehbar, dass die Welt der Mobilität in den nächsten Jahren einen großen Wandel erfahren wird. Dabei werden sowohl Konzepte wie autonome Fahrsysteme und Carsharing als auch die Vernetzung des Verkehrs eine bedeutende Rolle spielen.

Wo wollen wir überhaupt hin?

Die visionäre Mobilität der Zukunft muss vier Anforderungen erfüllen, um die individuelle Freiheit innerhalb unserer Gesellschaft zu steigern.

Sie muss alle mitnehmen – um Chancengerechtigkeit, insbesondere auch in ländlicheren Regionen gewährleisten zu können, darf die Mobilität nicht nur Menschen in Ballungszentren vorenthalten sein. Jeder muss die Möglichkeit haben, sich entsprechend seiner Bedürfnisse von A nach B zu bewegen, unabhängig davon, wo er lebt.

Sie muss benutzerfreundlich sein – verspätete Bahnen, kilometerlange Staus und alle drei Stunden mal ein Nachtbus: eine Mobilität, die Fortbewegung zwar gewährleistet, dabei jedoch die Bedürfnisse ihrer Benutzer weitestgehend ignoriert und diese stattdessen stark einschränkt, kann nicht unsere Vision für die Zukunft sein.

Sie muss nachhaltig sein – im Sinne der Generationengerechtigkeit stehen wir in der Pflicht, Mobilität so zu denken, dass ihre Nutzung mit einem verantwortungsbewussten, schonenden Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen vereinbar ist.

Was muss getan werden, um dieser neuen Mobilität den Weg zu ebnen?

Um diese beschriebenen Visionen zu erreichen, darf die oberste Priorität der politischen Diskussion nicht die Frage haben, welche konkreten Konzepte gefördert und subventioniert werden. Die Politik überschreitet ihre Kompetenzen deutlich, wenn sie versucht, die Richtung und Art des Mobilitätswandels eigenständig festzulegen. Viel eher sollte sich der Blick auf existierende Hemmnisse und Hürden richten, die einen fortschrittlichen Mobilitätswandel in Deutschland verhindern und ausbremsen. Statt die Revolution des Transports und des Individualverkehrs eigenständig stemmen zu wollen, muss sich die Politik darauf konzentrieren, ihr nicht aktiv im Weg zu stehen.

Ein Beispiel dafür ergab sich vor zwei Jahren, als 2017 der A8, das aktuelle Flaggschiff von Audi vorgestellt wurde. Mit der Markteinführung präsentierte das Unternehmen das weltweit erste Fahrerassistenzsystem, welches das hochautomatisierte Fahren entsprechend der Stufe 3 ermöglicht. Der „Audi AI Staupilot“ ist in der Lage, in bestimmten Fahrsituationen alle Fahrfunktionen komplett zu übernehmen. Eine Technologie, die das Potential hatte, das Fahren grundlegend zu verändern! Ein Antrag auf Zulassung dieses Fahrassistenzsystems wurde von Audi gestellt – eine Genehmigung für den Straßenverkehr blieb allerdings aus. Grund dafür war das Unvermögen des Gesetzgebers, rechtzeitig die rechtlichen Rahmenbedingungen für ein solches System zu definieren. Ohne rechtliche Rahmenbedinungen kann keine Genehmigung erteilt werden. Die Politik hinkt dem Mobilitätswandel hinterher, bremst ihn aus und verpasst große Chancen.

Ähnlich stellt sich die Situation bei der Entwicklung von automatisierten Fahrsystemen dar. Auch hier stehen die deutschen Automobilhersteller aktuell vor ungeklärten rechtlichen Fragestellungen – aufgrund solcher Hindernisse werden Teile der Forschung und Entwicklung in andere Regionen der Welt ausgelagert, wodurch es zu einer langfristigen Verlagerung von Arbeitsplätzen aus Deutschland hinaus kommt. Das zeigt deutlich die entscheidende Rolle der Politik darin, dass Unternehmen auch zukünftig Deutschland als Entwicklungsstandort in Betracht ziehen werden. Denn nur, wenn die nationale Gesetzgebung nicht den technischen Entwicklungen hinterherläuft, lässt sich eine Rechtssicherheit bei zukünftigen Forschungsprojekten garantieren.

Auch wenn es keine Einigkeit gibt, wie die Mobilität der Zukunft ausschauen wird, so herrscht der Konsens, dass große Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden müssen. Die deutschen Automobilhersteller und Zulieferer investieren in den nächsten drei Jahren über 40 Milliarden Euro in die Entwicklung alternativer Antriebe. Damit die dabei entwickelten Produkte bei den Kunden Akzeptanz finden, spielt die Versorgung mit einer flächendeckenden und leistungsfähigen Ladeinfrastruktur eine entscheidende Rolle. Der Volkswagen-Konzern, BMW, Daimler und Ford errichten dafür gemeinsam unter dem Joint Venture Ionity in den nächsten Jahren eine Ladeinfrastruktur an Hauptverkehrswegen für eine zuverlässige Versorgung bei Langstreckenfahrten. Aber gerade im urbanen Bereich gibt es aktuell noch viele bürokratische Hürden und Einschränkungen bei der Errichtung weiterer Ladestationen. Der Verband der deutschen Automobilindustrie gibt eine Million benötigte, öffentlichen Lademöglichkeiten für eine flächendeckende Versorgung an. Momentan existieren davon lediglich 17.400. Der bestehende Handlungsbedarf ist dementsprechend groß.

Die Planung und Diskussion zukünftiger Maßnahmen muss außerdem im Auge behalten,

dass die Elektromobilität nur ein Pfeiler einer CO2 neutralen Mobilität sein kann. Ein Elektrofahrzeug stößt erst dann über die gesamte Wirkungskette keine Treibhausgase aus, wenn die Energie für den Antrieb aus regenerativen Quellen stammt. Die Elektromobilität und die Energiewende sind also zwei Seiten einer Medaille und müssen in der Gesamtheit betrachtet und angegangen werden.

Genauso wie alle anderen Bereiche in unserem Leben wird auch in der Mobilität die Digitalisierung eine entscheidende Rolle spielen. Zukünftig werden nicht nur Fahrzeuge untereinander Daten austauschen, es wird auch eine Kommunikation zwischen dem Fahrzeug und der umgebenden Infrastruktur stattfinden. Beispielsweise können dann Ampeln Informationen über die Dauer der Ampelphasen aussenden oder Sensoren in Fahrbahnen den Verkehrsfluss erkennen und diese Daten für eine Optimierung der Route an die Verkehrsteilnehmer weiterleiten. Um solche Anwendungen zu ermöglichen, werden nicht nur Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur notwendig sein, es muss auch eine schnelle und sichere Übertragung einer großen Menge an Daten sichergestellt werden können. Dafür ist ein Ausbau des Mobilfunknetzes essentiell, eine flächendeckende Versorgung mit 4G und eine Bereitstellung von 5G in urbanen Räumen und an Hauptverkehrsstraßen muss so schnell wie möglich umgesetzt werden.

Der Wandel in der Mobilität ist eine große Chance für die deutsche Industrie und es ist eine zentrale Aufgabe der Politik, die entsprechenden Weichen zu stellen, um Weiterentwicklungen und neue Mobilitätskonzepte zu ermöglichen und nicht auszubremsen.

Auch wenn wir nicht wissen, wie die Zukunft unserer Fortbewegung konkret aussehen wird, so können wir doch unsere Visionen im Blick behalten und die Hürden ausräumen, die sich dem technischen Fortschritt, unserem Wachstums und Wohlstandgaranten, in den Weg stellen.

Jonathan Mai hat an der RWTH Aachen studiert und arbeitet zurzeit im Zuge seiner Masterarbeit im Porschewerk Leipzig. Ihr erreicht ihn unter