Kostenloser ÖPNV? Attraktiver ÖPNV!

Wie oft haben wir schon kopfschüttelnd vor dem Busfahrer gestanden, weil wir drei Euro oder mehr aus dem Portmonee fischen mussten um eine Fahrt in die Stadt zu bezahlen, die meist nicht länger als zehn Minuten dauert? Dazu kommt bei den meisten von uns genereller Unmut auf, wenn wir an den öffentlichen Nahverkehr denken: Die Busse fahren nichtselten nur einmal die Stunde, sollte man nicht direkt im Stadtzentrum wohnen, Pünktlichkeit scheint bei Bus und Bahn keine besonders weit verbreitete Tugend zu sein und auch die Sauberkeit lässt zu wünschen übrig.

Als möglichen Gegenentwurf hat im Juli dieses Jahrs die Stadt Monheim als erste deutsche Stadt einen kostenlosen ÖPNV in der Stadt beschlossen- unter anderem mit den Stimmen der FDP. Bei unseren europäischen Nachbarn ist zum Beispiel in Luxemburg der öffentliche Nahverkehr kostenlos. Doch ist er dadurch auch attraktiver?

In Zeiten von Fridays for Future und Debatten über Fahrverboten sowie allgemeinen Tempolimits wurde zuletzt die Frage nach einem kostenlosen ÖPNV immer wieder aufgeworfen. Die Überlegung dahinter: Wenn man auch umsonst in die Stadt fahren kann, warum sollte man dann noch für Sprit und Parkplatz zahlen? Die vermehrte Nutzung von Bussen und Bahnen, so der Ansatz, soll dann vor allem den dichten Stadtverkehr entlasten und die innerstädtischen Feinstaubwerte senken.

Keine Frage- in vielen Städten ist der ÖPNV nicht preiswert und wird weniger häufig genutzt, als es wünschenswert wäre. Der Grund hierfür liegt jedoch viel eher im Preisleistungsverhältnis als in der bloßen Tatsache, dass für die Fahrt ein Entgelt fällig wird. Schließlich sind wir doch von der (Un-) Pünktlichkeit, den überfüllten und verdreckten Wagen sowie den unregelmäßigen, unflexiblen Abfahrzeiten genervt und sehen daher oft nicht ein, den Preis für die Mobilität zu zahlen.

In einem aktuellem Eurobarometer über die Einstellung der Bevölkerung zur Bahn belegt Deutschland nur einen der hinteren, den viertletzten Platz- nur Italien, Bulgarien und Rumänien schlossen schlechter ab. Besonders bei der Pünktlichkeit sind deutsche Bahnfahrer der europäischen Meinungsumfrage nach unzufrieden. Hier gaben über 50% der Befragten an, sie seien nicht zufrieden mit der Pünktlichkeit- damit liegt Deutschland auch unter dem EU-Durchschnitt, denn europaweit sind immerhin knapp 60% zufrieden. Auch bei der Sauberkeit sind die deutschen ÖPNV-Nutzer nicht zufrieden: Laut Statista waren dieses Jahr 47% der Nutzer des ÖPNV unzufrieden mit der Sauberkeit der Bahnhöfe und Bushaltestellen. Demgegenüber gaben lediglich 11% an, sehr zufrieden mit dem Angebot sein. Hier wäre eine Investition in mehr Reinigungspersonal besser, als die Ticketpreise zu erlassen. Die Rheinbahn in Düsseldorf setzt hier ein positives Zeichen und reagiert auf die Kundenzufriedenheit: In Zukunft lässt sie als Pilotprojekt „Präsenzreiniger“ zusteigen, welche kleinere Verschmutzungen und herumliegenden Müll in Zügen und an den Stationen beseitigen sollen. Auffällig ist im Europabarometer zuletzt, dass rund 25 Prozent angeben, sie hätten Schwierigkeiten, zum Bahnhof zu gelangen- gerade dies schreckt Pendler auf ihrem Weg zur Arbeit ab und sie entscheiden sich laut dem Barometer gegen eine Nutzung der Bahn.

Könnte man also mit einem immer pünktlichen und ebenso leeren Bus zur Arbeit fahren, welcher gleichzeitig zu passenden Zeiten direkt vor der Haustür abfährt, so wäre ein Preis von drei Euro -in vielen Großstädten der übliche Fahrpreis- keineswegs unangemessen. Fährt der Bus allerdings unregelmäßig, ist verschmutzt und häufig zu spät von einer hunderte Meter entfernten Haltestelle, so empfindet man den Fahrpreis als deutlich zu hoch.

Fakt ist, bleiben die Einnahmen durch Abo- und Ticketverkäufe aus, so muss der Steuerzahler für die entstehenden Kosten aufkommen. In der Folge zahlt dann jemand, der nie mit Bus und Bahn fährt, das Gleiche für den ÖPNV, wie derjenige, der das Angebot täglich nutzt. Zudem würden durch ausbleibende Einnahmen auch an dringend notwendigen Investitionen in die Fahrzeuge, das Streckennetz oder die Frequenz gespart werden. Gerade diese Investitionen müssen jedoch zwingend getätigt werden, wenn ein ÖPNV geschaffen werden soll, dessen Benutzung ihr Geld wert ist. Letzthin würde durch das Erlassen des Fahrpreises doch auch der letzte Wettbewerbsdruck wegfallen, obgleich dieser beim ÖPNV nur sporadisch vertreten ist. Vielmehr sollten hier auch mehrere Anbieter, zum Beispiel im Nahverkehr auf der Schiene, konkurrieren und sich der Fahrgast für das beste Angebot entscheiden können.

Trotzdem muss man anerkennen, dass ein kostenfreier ÖPNV die Passagierzahlen vorerst erhöht. Aber auch hier ist der Gedankenschluss falsch, dass ein kostenloses Produkt allein für einen solchen Effekt sorgen könne! Ist das gleiche Produkt plötzlich kostenlos nutzbar, wird es zwangsläufig häufiger genutzt. Dabei darf man aber nicht außer Acht lassen, dass ein deutlich verbessertes Produkt zum gleichen Preis ebenfalls für einen Anstieg der Passagierzahl führen würde– dieser Gedankenschritt scheint in der Debatte allzu häufig übergangen zu werden.

Mehr noch: betrachtet man die langfristigen Auswirkungen, wird ein kostenloser ÖPNV seine Passagiere sogar wieder verlieren Bleiben wichtige Investitionen aus, überlegen sich die Passagiere zweimal, ob sie erneut im kostenlosen, aber verdreckten Bus fahren wollen oder doch bequem das Auto nehmen und dafür zahlen – dieses Problem hat ein qualitativ ansprechender ÖPNV nicht.

Des Weiteren ist die Frage der die Finanzierbarkeit des kostenlosen ÖPNVs in vielen Kommunen nicht geklärt und durchaus problematisch. Sicher, Monheim konnte die finanzielle Belastung stemmen – doch nicht überall kann aus einem Haushaltsüberschuss in Millionenhöhe –wie Monheim ihn hat – ein solches Projekt gegenfinanziert werden.

Obendrein werden durch den kostenlosen ÖPNV allein die Autos in der Stadt nicht weniger. Wer sich zum Ziel setzt, das innerstädtische Verkehrsaufkommen zu reduzieren, der muss dabei auch auf andere Anreize setzten. In Bezug auf den ÖPNV könnten dies auch flexiblere Ticketangebote sein. Gerade für Familien ist es beispielsweise am Wochenende trotz Parkgebühren günstiger, das Auto dem Bus vorzuziehen. Hier müssen also Familientickets fürs Wochenende die Antwort sein, um eine echte Alternative zu schaffen und den ÖPNV attraktiver zu machen. Auch für andere Zielgruppen machen flexible Abo Angebote den öffentlichen Nahverkehr attraktiv und wirken somit besser und gezielter, als schlicht den gesamten Fahrpreis zu erlassen.

Betrachtet man das momentane Angebot in den meisten Städten, mangelt es sicherlich nicht an Ideen und Verbesserungsvorschlägen. WLAN in den Bussen und Bahnen, wie beispielsweise bei der Bahn im RRX mittlerweile Standard, zusätzliche Sicherheitskräfte und ein sauberer Wagen würden die Fahrt angenehmer gestalten und gerade bei Nacht das Sicherheitsgefühl steigern.

Insbesondere ist außerdem die Taktung der Busse in den Vororten vieler Städte und auf dem Land ein Problem. Vor allem abends ist man hier meist aufgeschmissen und muss sich Alternativen suchen. Das sind im Normalfall der eigene Wagen oder das Taxi. Würde man die, im Falle des kostenlosen ÖPNVs zur Kompensation der ausbleibenden Einnahmen nötige, Summe in einen attraktiveren ÖPNV investieren, würde dieser insgesamt deutlich häufiger genutzt und die Passagiere würden gerne für das Angebot zahlen.

Schlussendlich ist klar, dass es definitiv Handlungsbedarf beim ÖPNV gibt. Hierbei ist aber wichtig zu betonen, dass als langfristiges Ziel ein attraktiverer ÖPNV im Fokus stehen sollte, was durch eine Qualitätssteigerung statt durch reines Erlassen des Fahrpreises erreicht wird. Der Ticketpreis ist zwar ein Kriterium für die Verkehrsmittelwahl, wichtiger ist aber etwa Pünktlichkeit oder Häufigkeit der Fahrten.

Wir brauchen moderne und zuverlässige öffentliche Verkehrsmittel statt kostenlosen ÖPNV, bei welchem sich an den oft bemängelten Zuständen nichts ändert!

Autor: Nils Mehrer

Nils Mehrer (18) ist er Kreisvorsitzender der JuLis Dortmund. Gerade studiert er Jura in Bochum. Ihr erreicht ihn unter .