Von Liechtenstein und Byzanz – der deutsche Umgang mit Blockchain und Co.

Von Liechtenstein und Byzanz – der deutsche Umgang mit Blockchain und Co.

Blockchain und oft stellvertretend Bitcoin sind vieles. Hype, „die“ Zukunft von
Finanzen und Elon Musks Waifu. Einiges davon mag sich als richtig herausstellen, vieles
wohl auch nicht. Aber vor allem ist Bitcoin rechtlich gesehen in Deutschland und
Europa vieles nicht.
Grundsätzlich ist die Blockchain-Technologie erst mal ziemlich unspektakulär. Mal
abgesehen davon, dass sie letztlich nur die bisher populärste Umsetzung der Distributed-
Ledger-Technologie ist, stellt sie nichts weiter als ein Register für Transaktionen aller Art
agierend als eine dezentral verteilte Datenbank dar. Vereinfacht gesagt, ist sie also eine
dezentrale Transaktionsdatenbank, die ähnlich wie ein Buchungsjournal funktioniert, in der
jede neue Transaktion auf den alten Transaktionen aufbaut und so die Richtigkeit dieser
bestätigt und eine nachträgliche Veränderung oder byzantinische Übertragungsfehler der alten
Transaktionen verhindert.
Interessant wird es aber, wenn man bedenkt, was das in unserer digitalisierten Welt bedeuten
kann. Denn für die Blockchain-Technologie an sich ist erst mal völlig uninteressant, was darin
dokumentiert wird. Es ebnet also den Weg für einen Markt voller digitaler Wertgegenstände,
die kopiergeschützt und manipulationssicher sind und ohne einen zentralen Regulator
auskommen, sondern ihre Vertrauenswürdigkeit auf dem technologischen Aufbau, dem
kryptografischen Verfahren und den definierten Regeln der jeweiligen Blockchain fußen
lassen.
Klingt ja so weit alles ganz nett, zeigt aber auch, dass es ein recht starker Kontrast zu unseren
bisherigen Systemen darstellt, und das beinhaltet leider auch unser Rechtssystem. Denn man
hört in Deutschland überraschend wenig von Blockchain, wenn man bedenkt, dass die aktuell
wohl wichtigste Blockchain-Plattform „Ethereum“ hier ihr erstes Büro eröffnete und
Schlüsseltechnologien wie die Programmiersprache „Solidity“ hier entwickelt wurden.
Deutschland mit Vorsprung – aber ohne Lauf kein Ziel
Durch das politische Klima der Vereinigten Staaten und den extremen Fachkräftemangel in
der Branche hat sich Berlin durch das Engagement vieler Einzelpersonen zum europäischen
Zentrum der Blockchain-Entwicklung vorgekämpft, während sich die USA diesbezüglich in
den Fuß schießen. Doch all dieser Vorsprung hilft uns nicht ins Ziel, wenn unsere Politik
nicht bald anfängt zu laufen, indem passende Maßnahmen ergriffen werden. Denn all die
Start-ups, die gerade auf der Suche nach Blockchain-Entwicklern und Ingenieuren aus dem
Silicon Valley flüchten, werden wieder ihre Sachen packen und gehen, wenn sie in
Deutschland und Europa nicht bald Rechtssicherheit finden können.
Zwar stand das Wort Blockchain satte sieben Mal im Koalitionsvertrag, aber passiert ist
seitdem wenig, was auch eine Anfrage der FDP-Fraktion offengelegt hat. Denn dass
Facebook und Netflix nicht aus Deutschland kommen, liegt auch stets daran, dass jedes
ambitionierte Start-up Finanzierung benötigt. Aber wer investiert schon in ein Start-up in
einem Land wie Deutschland, wo es keine gesetzlichen Regelungen zum Handel mit
Kryptowährungen, stellvertretend für generelle Transaktionen auf einer Blockchain, gibt?
Und so ist man wieder bei der Huhn-und-Ei-Frage, wozu man Regulierung braucht, wenn

keine Investition stattfindet, aber auch keine Investition stattfindet, solang keine Regulierung
vorliegt.
Der Vorschlag der Bundesregierung, das Thema europäisch zu regeln, ist zwar grundsätzlich
richtig, da innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums auch die gleichen
Finanzmarktregulierungen gelten müssen, dennoch ist der vorgeschlagene Zeitraum der
Europäischen Kommission bis 2022 aber so weit gefasst, dass bis dahin jeder Vorsprung, den
sich ausgerechnet Berlin erarbeitet hat, verpufft sein wird. Wenn man bis dahin mehr Anwälte
als Entwickler beschäftigt, geht jeglicher Standortvorteil Berlins und Deutschlands verloren.
Die Welt steht nicht still – auch wenn sie sich nicht immer vorwärtsdreht
Fairerweise muss man dazusagen, dass man bereits in der Vergangenheit versucht hat, für
solche technologischen Entwicklungen vorbereitet zu sein. Hier wurde jedoch entweder
spezifisch die Blockchain-Technologie unterschätzt oder ignoriert. So sehen die sogenannten
E-Geld-Gesetze in KWG und ZAG zwar Zahlungsmittel vor, die nur elektronisch vorliegen,
aber auch hier nur in zentralen Systemen, sodass jeglicher regulatorischer Ansatz basierend
darauf völlig verfehlt wirkt, da die Blockchain-Technologie ja grundsätzlich dezentral ist, also
nicht eine definierte Instanz vorliegt, die die Transaktion kontrolliert.
Parallel zur fehlenden oder fehlgeleiteten finanzpolitischen Entwicklung in Deutschland
respektive den Vereinigten Staaten gibt es aber auch in anderen Ländern ein sehr großes
Interesse an Blockchains und aktuell insbesondere Kryptowährungen. An vorderster Front
sind aufgrund der technologischen Entwicklung dabei Japan und Südkorea, die den Fokus
allerdings primär darauf legen, die Auswirkungen auf den Finanzmarkt zu begrenzen, und
bisher eher wenig Interesse zeigen, aktiv politisch in die Weiterentwicklung der Blockchain-
Technologie einzugreifen. Anders sieht es da bei China aus, die mit etlichen Rechnerfarmen
nicht nur den Kern des kryptografischen Transaktionsgeschäfts abbilden, sondern auch einen
dominierenden Anteil der finanziellen Transaktionen darstellen. Bisher scheint es aus Peking
aber als wenig förderlich wahrgenommen zu werden, weshalb es auch schon mehrere aktiv
gegen Rechnerfarmen und größere Kryptowährungshändler gerichtete Aktionen gab. Das
sollte bei allem Optimismus bedacht und beachtet werden.
Positiver sieht es allerdings in einigen anderen europäischen Ländern aus. So hat sich die
maltesische Regierung beispielsweise zum Ziel gesetzt, in Zukunft das europäische Singapur
zu werden, und hat bereits verschiedene Initiativen zur Förderung von Blockchain-
Entwicklung in den ansässigen Banken gestartet, wenn auch auf die Initiative ebenjener
Banken hin. Liechtenstein hingegen hat ein konkretes Gesetz zu sogenannten
vertrauenswürdigen Technologien als generellen Ansatz für Distributed-Ledger- und ähnliche
Technologien, um sowohl der jetzigen Situation als auch der zukünftigen Entwicklung
gewachsen zu sein. Ein entscheidendes Merkmal dabei ist der Fokus auf die Token-Economy,
also auf alle Arten von Wertgegenständen und Smart Contracts auf einer oder mehrerer
Blockchains, was eine sehr diverse Bandbreite an wirtschaftlichen
Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Da sich beide im europäischen Wirtschaftsraum befinden,
sollten beide Ansätze in Hinsicht auf eine deutsche und eine mögliche europäische
Regulierung einbezogen werden.
Jeder Lauf beginnt mit dem ersten Schritt
Eigentlich bringt Deutschland also alles mit, um als Blockchain-Pionierland nicht nur die
Wirtschaft langfristig mit Start-ups und innovativen Lösungen für bereits bestehende

Industrien zu stärken, sondern durch gezielte regulatorische Zielsetzungen auch die
zukünftige Entwicklung der Blockchain-Technologie, insbesondere hinsichtlich des
Datenschutzes, zu prägen – sofern man denn den politischen Willen besitzt, diesbezüglich
auch zu handeln und zumindest die Position der Regierung darzustellen, um den
regulatorischen Prozess legislativ zu stützen und Unternehmen und BaFin nicht weiter im
Dunkeln zu lassen.
Dazu gehört die Anerkennung von Kryptowährungen sowie die Ermöglichung des
gewerblichen Handels mit diesen, die Ermöglichung von Tokenisierung von
Wertgegenständen und Unternehmen, um auch ICOs zur Finanzierung von Unternehmen und
Projekten zu ermöglichen, sowie zumindest grobe rechtliche Rahmenbedingungen für den
Betrieb eines dezentralen Systems mit personenbezogenen Daten, die pseudonymisiert
genutzt werden können, um auch der DSGVO entsprechen zu können. Zudem sollte überlegt
werden, inwiefern mit ähnlichen Projekten wie der Initiative Sovrin die Verwaltung in
Deutschland sicher digitalisiert werden kann und zudem ein Service- und Bürgerrechtsplus für
alle bringt.
Denn Blockchain bietet zu viele Möglichkeiten für Wirtschaft, Gesellschaft und Staat, um
weiter als Abfallprodukt eines E-Geld-Gesetzes oder Grauzone der Regulierung der BaFin
angesehen zu werden, geschweige es kontrollorientierten Regierungen wie China zu
überlassen.

Claudio Weber (20) ist dualer Student der Wirtschaftsinformatik und Beisitzer im Vorstand
der JuLis Solingen für Programmatik und Technik. Er setzt sich dabei neben Digitalpolitik
auch für Wirtschafts- und Verkehrspolitik ein. Erreichen könnt ihr ihn unter
.