Freund oder Feind – Wie umgehen mit dem Iran?

Der in 2015 geschlossene Atom-Deal mit dem Iran und die damit einhergehende Entspannungspolitik wurden lange Zeit als Sieg erfolgreicher Diplomatie gefeiert. Im Mai 2018 beendete Donald Trump mit seinem unerwarteten Ausstieg aus dem Atomabkommen im Alleingang die damit einhergehende Aufbruch-Stimmung und störte die wachsenden wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Iran. Was bleibt ist die Frage nach dem künftigen Umgang mit dem Iran. Wie geht es weiter?

 

Der Deal.

Dem 2015 geschlossenen Maßnahmenplan liegt mehr als ein Jahrzehnt diplomatischer Arbeit zu Grunde, die in einem vorrangig von drei europäischen Staaten vorangetrieben Verhandlungsprozess Anwendung gefunden hat. Zunächst bestand die Herausforderung darin, alle Verhandlungspartner an einen Tisch zu bekommen. Dieses galt vor allem für die USA, für die sich lange Zeit kein Grund zum Engagement für eine Entspannung des Verhältnisses zum Iran ergeben hat. Später gestaltete sich die Herausforderung eher in der Form die Weltmächte USA, China und Russland am Verhandlungstisch zu behalten. Erst nach zehn Jahren erzielte man schließlich Schritt für Schritt die ersten Durchbrüche im gegenseitigen Werben um Inhalte des Abkommens.

 

Letztlich gelang es 2015, nach zwölf Jahren, eine Win-Win-Situation zu erzielen. Die Welt sollte ein sicherer Ort werden, indem der Iran eingestand, sein ziviles Atomprogram einzustellen und im Gegenzug sollten Schritt für Schritt die gegen den Iran erhobenen Sanktionen abgebaut werden. Unmittelbar nach Abschluss des Abkommens setzte sich auch bereits eine breite Delegation von europäischen Wirtschaftsvertretern und Unternehmen in Bewegung, um den neuerlichen Zugang zu diesem attraktiven Markt für sich zu beanspruchen. Der Iran erhielt unterdessen wieder Zugang zum globalen Ölmarkt und zu den dringend benötigten internationalen finanziellen Mitteln für den Auf- und Ausbau des Landes. Lange Zeit war es ruhig und die OSZE-Beobachter lobten die Arbeit der Iraner bei der Umsetzung des Abkommens. Doch im April 2018 folgte das Unerwartete.

 

Neuerliche Spirale der Eskalation.

 

Es war ein Abend im April als Israels Ministerpräsiden Netanyahu vermeintliche Beweise für eine Fortführung des Atomprograms im israelischen Fernsehen vorlegte. Bis heute ist weder der Ursprung der Aufnahmen noch seine Echtheit von weiteren und womöglich auch unabhängigeren Quellen bestätigt worden. (Denn an dieser Stelle darf man nicht den ewigen Konflikt zwischen Israel und dem Iran außer Acht lassen, der meist im Zeichen des Aberkennens des Existenzrechts des anderen Staates steht).

 

Die vermeintlichen Beweise genügten, um den amerikanischen Präsidenten Donald Trump zu einem unbedachten und vor allem mit den Partnern des Abkommens unabgestimmten Schritt zu verleiten: Der Ausstieg der USA aus dem vor weniger als drei Jahren geschlossenen Atomabkommens, erfolgte in Trump-Manier mehr oder weniger mit einem Tweet, ehe die offizielle Stellungnahme erfolgte. Trump hat hiermit erneut unter Beweis gestellt, dass auf die USA als transatlantischen Bündnispartner kein Verlass mehr ist. Es folgte das erwartete Säbelrasseln, in dem der Iran mit eigenen, drastischen Drohungen zur Aufkündigung des Abkommen reagierte. Inmitten des Geschehens steht und stand doch schnell die Europäische Union. Allen voran Frankreich und Deutschland, deren Unternehmen den neuen Markt dankbar angenommen haben, sind nun um Deeskalation und das Fortbestehen des Abkommens bemüht. Nach anfänglich hoher Zahl an öffentlichen Stellungnahmen und Medienberichten zu diesem Thema, ist es seit einigen Wochen ruhig um das Thema geworden und man wartet gespannt auf die Ergebnisse der Gespräche. Ungeachtet der laufenden diplomatischen Verhandlungen stellt sich dennoch die Frage aus liberaler Perspektive, was für ein Verhältnis sollte am Ende der Verhandlungen unter dem Strich das Ergebnis sein.

 

Wie geht es weiter mit uns und dem Iran? – Eine persönliche Betrachtung

 

Grundsätzlich ist es sehr begrüßenswert, dass die Ergebnisse der langjährigen diplomatischen Zusammenarbeit nicht von weiteren Bündnispartnern des Atomabkommens leichtfertig aufgegeben wurden. Vielmehr noch: Es ist erfreulich, dass man sich die Zeit nimmt, Fakten zu den Vorwürfen zu sammeln und der internationalen Atomaufsichtsbehörde das Vertrauen schenkt, eine neuerliche und unabhängigere Bewertung vorzunehmen.

 

Hieraus ergeben sich am Ende letztlich zwei Wege in die Zukunft. Zum einem den Bruch mit dem Abkommen und dem Iran – dieses wäre sicherlich im Interesse der USA und zum anderen die Möglichkeit der Fortführung des Abkommens, gestärkt durch einen gemeinsamen Beschluss der Europäischen Union, Russlands und Chinas. Warum das Sinn macht?

 

Seit Jahren erleben wir einen destabilisierten Nahen und Mittleren Osten, geprägt von Kriegen, bei denen sich meist die USA und Russland immer häufiger als Strippenzieher im Hintergrund der sich gegenüberstehenden Parteien zeigen. Die iranische Politik und die dortigen gesellschaftlichen Werte entsprechen sicherlich nicht den westlichen Vorstellungen von Demokratie und Rechtsstaat und das Atomabkommen mit dem Iran ist ebenfalls nicht perfekt. Dennoch hat das Abkommen zur Stabilität im Nahen Osten beigetragen. Ferner hat die Öffnung der Beziehungen zwischen dem Iran und den westeuropäischen Demokratien inzwischen zu einem schrittweisen – ja, einem langsamen – Reformprozess des gesellschaftlichen Lebens im Iran beigetragen. Immer noch kommt es zu öffentlicher Folter und drakonischen Strafen, die auf das Schärfste zu verurteilen sind und unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten einfach nur abscheulich sind. Hier müssen die westlichen Demokratien auch weiterhin den Finger in die Wunde legen und klar aufzeigen, dass wir ein anderes rechtstaatliches Verhalten von unseren Partnern erwarten. Gleiches gilt auch für die iranische Außenpolitik und ihre Haltung gegenüber Israel. Auch hier gilt es klare Worte mit der iranischen Regierung zu sprechen, die deutlich machen, dass die Existenz Israels und seiner Bevölkerung nicht in Frage zu stellen ist. Hier ist es wichtig Schritt für Schritt die beiden verfeindeten Parteien an einen Tisch zu bringen und der Diplomatie Raum zur Entfaltung zu bieten.

 

Im Verhältnis zum Iran steckt so viel mehr Potential. Drei Jahre der Entspannungspolitik haben dieses gezeigt. Für Teile der iranischen Bevölkerung hat die Aufhebung der Sanktionen erste Veränderungen mit sich gebracht. Neue Arbeitsplätze wurden von ausländischen Investoren geschaffen und durch den gestiegenen Handel hat sich auch die allgemeine Lebensqualität für einige Iraner verbessert. Bis vor kurzem unvorstellbar: Iranische Schauspieler, Regisseure und Filme bewerben sich um internationale Auszeichnungen und gewinnen sogar. Und zuletzt hat hier auch die WM in Russland mit der Teilnahme der iranischen Fußball Nationalmannschaft ihren Beitrag geleistet. Die Bilder der iranischen Bevölkerung, die erstmals die Möglichkeit bekommen hat an Public-Viewings teilzunehmen und Ihre Nationalmannschaft auf den Straßen Teherans zu bejubeln, sollten uns optimistischer stimmen und Anlass zum weiteren Dialog mit dem Iran sein. Besonders bemerkenswert ist hierbei sicherlich auch, dass es erstmals Frauen möglich war an gemeinschaftsstiftenden Ereignissen, wie dem gemeinsamen Schauen von Fußball an öffentlichen Plätzen, teilzunehmen. Ein absolutes Novum für das sonst so vom männlichen Geschlecht diktierten Leben im Iran. Es sind nur kleine Schritte, die der Iran bisher aufzuweisen hat.  Diese sollten wir jedoch als Fundament für die künftige Zusammenarbeit sehen. Der gemeinsame Dialog kann nachhaltig Frieden in der Region stiften und die Ängste der Menschen abbauen.

 

Da das Thema doch viel komplexer ist, als im bisherigen Artikel dargestellt, lade ich alle Interessierten Julis ein, die Diskussion über die politische Beziehung zum Iran fortzuführen und hieraus einen Antrag zu erarbeiten, der die von 2006 stammende Beschlusslage erweitert und aktualisiert.

 

 

Kontakt:

Christian Mertens

24 Jahre alt / Master Student im Bereich Business Management an der Leeds University Business School & Supply Chain Operator bei BP Europa SE (Bochum)/ Kreisvorsitzender Junge Liberale Essen / voraussichtliche Studienreise in den Iran im kommenden Jahr und Erfahrungsberichte von Bekannten mit iranischen Wurzeln /