Auf ein Tschelo Kabāb mit Bijan Djir-Sarai

In dieser neuen Rubrik erwartet euch in den kommenden Ausgaben jeweils ein Interview mit liberalen Persönlichkeiten, die wir die wir auf ihr Lieblingsessen treffen. In dieser Ausgabe erzählt euch Bijan Djir-Sarai, außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, etwas über seine Zeit bei den JuLis und welche außenpolitischen Herausforderungen uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten beschäftigen werden. Aber lest doch am besten selbst!

Isabel: Zunächst die Frage aller Fragen: Wieso ist Tschelo Kabab dein Lieblingsessen?

Bijan: Nun ja, es ist ein Essen mit dem ich quasi aufgewachsen bin. Das kenne ich noch aus meiner Kindheit. Ich esse es leider nicht sehr oft, aber ab und zu, wenn ich irgendwelche persischen Restaurants finde, sei es in Köln, Düsseldorf oder in Berlin, dann bestelle ich immer dieses Essen.

Isabel: Dann mal vom Essen zur Politik: Woher kam denn dein politisches Interesse? Wann hat es angefangen und wie kam es dazu, dass du gesagt hast, ich möchte mich politisch engagieren?

Bijan: Ich war schon sehr früh politisch interessiert und seitdem ich 14 bis 15 Jahre alt war, habe ich mich dann auch regelmäßig politisch informiert, sei es durch Zeitungen oder die Tagessschau. Und mit 18 Jahren dann wollte ich mich auch politisch engagieren und habe dann bei den Jungen Liberalen angefangen. Kurz darauf bin ich dann auch FDP-Mitglied geworden, und wie das so ist fängt man dann an sich kommunal zu beteiligen. Es wurde mir nämlich irgendwann zu wenig nur über Politik zu reden, ich wollte sie aktiv mitgestalten. Und das geht nur, wenn man auch tatsächlich parteipolitisch aktiv ist. Da hat mir die FDP dann am besten gefallen, weil sie genau das verkörpert hat, wofür ich auch selber stehe: Weltoffenheit, Toleranz und Eigenverantwortung

Isabel: Und inwieweit warst du bei den JuLis aktiv? Und was hat dir an den JuLis besonders gefallen?

Bijan: Also ich habe mich zunächst einmal auf Bezirksebene engagiert, weil wir zu dem Zeitpunkt noch keinen Kreisverband im Rhein-Kreis Neuss hatten, bis dann schließlich zwei andere JuLi-Mitglieder und ich zusammen den Kreisverband Rhein-Kreis Neuss gegründet haben. Eines unserer Ziele war damals unsere Mutterpartei im Kreis programmatisch etwas zu treiben. Ich war dann auch auf Landesebene viel aktiv, bin regelmäßig zu LPPWs gefahren und war bei Landeskongressen dabei. Man hat dort auch sehr viel gelernt für später. Nichtsdestotrotz waren die JuLis früher natürlich ein bisschen anders als heute; einfach braver und steifer, nicht so lebhaft und modern, wie die JuLis heute sind.

Isabel: Erstmal im Namen von uns JuLis danke für die Komplimente. (beide lachen) Schön aber, dass du noch einige gute Erinnerungen an die JuLis hast. Nun steht diese Ausgabe ja unter dem Motto Außenpolitik. Erstmal generell: Was denkst du, welches außenpolitische Thema für uns JuLis als jüngere Generation denn besonders relevant ist?

Bijan: Definitiv die Zukunft und die Entwicklung Europas. Man streitet zwar darüber ob Europa noch als Außenpolitik zu sehen ist, aber nichtsdestotrotz glaube ich, dass insbesondre die gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik, sowie die Entwicklung des Euroraums uns in den nächsten Jahrzehnten maßgeblich bewegen werden. Zudem haben wir die vielen großen außenpolitischen Krisen zurzeit direkt vor unserer Haustür, beispielsweise die Geschehnisse im Nahen Osten. Wenn wir dort die Probleme nicht lösen, dann werden die Probleme irgendwann zu uns kommen, und ich denke spätestens seit der Flüchtlingskrise wissen wir, dass das so auch passiert.

Isabel:  Bei uns JuLis war in letzter Zeit das Thema „Generationengerechtigkeit“ ein sehr wichtiges. Was macht denn für dich eine generationengerechte Außenpolitik aus?

Bijan: Es ist auf jeden Fall notwendig eine verantwortungsvolle Außenpolitik zu gestalten. Etwas was man jetzt in der Außenpolitik beschließt, kann seine vollen Auswirkungen auch erst 10-15 Jahre später entfalten. Nehmen wir das Beispiel Großbritannien. Diejenigen, die aus parteiinternen Gründen einen Brexit herbeigeredet haben, haben ja letztendlich die Zukunft einer ganzen Generation aufs Spiel gesetzt und den Schaden der da angerichtet wurde, wird man vollends erst in einigen Jahren bis Jahrzehnten spüren. Dort wäre ein gewisses Verantwortungsgefühl der Politiker sehr wichtig gewesen. Weißt du, früher dachte ich immer, die Welt würde automatisch besser werden, zumindest was die Entwicklung in der EU anbelangt. Jetzt müssen wir leider sehen, dass das nicht der Fall ist. Aber gerade deshalb ist es besonders wichtig, dass wir da eine Politik machen, die Europa nicht nur weiter zusammenhält, sondern auch weiter fördert und stärkt.

Isabel: Du selber kommst ja aus einem sehr religiösen Land, dem Iran, bist aber Mitglied einer liberalen und säkularen Partei. Was spielt denn Religion in deinem Leben für eine Rolle?

Bijan: Religion ist für mich eine sehr private Angelegenheit, und so behandele ich sie auch. Öffentlich spielen für mich Religion und Glaube gar keine Rolle. Für mich ist die Religion eines Menschen nicht wichtig und beeinflusst in keinster Weise, wie ich einen Menschen sehe oder ihn bewerte. Da ist mir der Charakter der Person viel wichtiger. Ich glaube auch die Welt heute wäre eine bessere, wenn wir etwas entspannter mit dem Thema Religion umgehen würden.

Isabel: Was siehst du als den größten außenpolitischen Fehler Deutschlands der vergangenen Legislaturperiode? Und hat dieser Fehler noch Auswirkungen bis heute?

Bijan: Der größte Fehler Deutschlands der letzten Jahre ist definitiv, dass wir im mittleren und Nahen Osten momentan politisch gar nicht stattfinden. Wir waren sehr passiv und haben geglaubt, dass wir eine Insel der Glückseligkeit sind und uns nichts etwas anhaben kann. Spätestens seit der Flüchtlingskrise 2015 wissen wir, dass das nicht so ist und wenn wir uns weiterhin nicht engagieren, werden diese Probleme zu uns kommen. Wir haben nichts dazu beigetragen, dass die Konflikte in der Region entschärft werden und somit die Ursachen dafür verschwinden, dass diese Menschen gezwungen sind zu fliehen und zu uns kommen. Auch der erschreckende Zustand der Bundeswehr ist dafür symptomatisch. Wir haben es nicht für nötig befunden, in unsere Sicherheit und unsere Verteidigung zu investieren, und ich glaube das ist ein sehr großer Fehler, den man dringend korrigieren muss. Deutschland muss sich dringend engagieren, ja gar Impulsgeber dafür sein, dass wir so schnell wie möglich eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik gestalten können. Bei einem so wichtigen Thema muss Europa mit einer Stimme sprechen, um etwas erreichen zu können.

Isabel: Amerikas verstärkte Isolation, Russlands zunehmender Bruch mit den westlichen Werten, der fortschreitende Weg der Türkei in die Diktatur; es gibt momentan weltweit viele Krisenherde. Welchen außenpolitischen Konflikt siehst du denn am bedrohlichsten für Deutschland und die EU?

Bijan: Zurzeit beobachte ich zwar, dass das Verhältnis zur USA nicht so gut ist wie früher. Auch wenn die USA aus meiner Sicht dennoch unser engster Verbündeter bleiben wird. Trumps Rückzug aus dem internationalen Geschehen sollten wir in Europa aber zum Anlass nehmen uns spätestens jetzt mehr zu emanzipieren. Daher brauchen wir dringend eine gemeinsame Außenpolitik und eine gemeinsame Sicherheitspolitik. Es reicht nicht aus, wenn wir ständig nur in irgendwelchen Denkfabriken darüber reden, wir müssen das jetzt auch anpacken. Russland hat sich aus meiner Sicht in den letzten Jahren auch sehr bedrohlich entwickelt. Da brauchen wir eine glasklare Haltung gegenüber Russland, die Sanktionen gehören dazu, auf der anderen Seite brauchen wir aber auch den Dialog. Denn, langfristig betrachtet, müssen wir eines einsehen: ohne Russland gibt es keine Sicherheit in Europa, keinen stabilen Frieden. Dass die Türkei sich so entwickelt hat war vor zehn Jahren nicht denkbar, auch das ist eine Tragödie. Die Türkei hat sich in den letzten Jahren unter Herr Erdogan deutlich von Europa und den europäischen Werten verabschiedet. Trotzdem bleibt die Türkei mit 3 Mio. Menschen mit türkischem Hintergrund in Deutschland natürlich ein besonderes Land für uns. Ansonsten die gesamte Region im Nahen und mittleren Osten und Nordafrika, Stichwort arabischer Frühling; die ganzen Hoffnungen die man ja hatte, dass sich die Region zum positiven weiterentwickelt, haben sich ja leider nicht bewahrheitet, eher ist die Region sogar etwas unruhiger und instabiler geworden. Einige Konflikte haben sich zugespitzt, und das ist definitiv ein Krisenherd der uns noch einige Zeit beschäftigen wird.

Isabel: Und zu guter Letzt, man soll ja so aufhören, wie man angefangen hat: Lieber Lamm-Kebab oder Sauerbraten?

Bijan: Hmm, dann lieber Sauerbraten. (lacht)

Bijan Djir-Sarai (42) wurde im Iran geboren und war von 2009 bis 2013 sowie aktuell Mitglied des deutschen Bundestages. Sein Wahlkreis ist Neuss und er ist aktuell außenpolitischer Sprecher der FDP Bundestagsfraktion.